Johannes Laubmeier: Das Marterl – Roman

Johannes Laubmeier credit Julia Sellmann Photography

Der Journalist Johannes Laubmeier begibt sich in seinem Debütroman „Das Marterl“ auf Erinnerungssuche in seiner kleinstädtischen Heimat

Zehn Jahre nach dem tragischen Unfalltod seines Vaters kehrt Johannes zurück in seine kleinstädtische, niederbayerische Heimatgemeinde nahe Regensburg – im Roman vornehmlich mit A. abgekürzt – zurück. Der Anfang Dreißigjährige hat einige Jahre in England verbracht, wo er während des Studiums in Cambridge seine Frau Leo kennengelernt hat, lebt nun in Berlin und übt den Beruf eines Journalisten aus. Johannes quartiert sich im Elternhaus bei seiner Mutter ein, die auf einem Meditationstrip in Indien weilt und zum Zeitpunkt des Todes seines Vaters bereits von diesem getrennt lebte. Sehr schnell wird ihm das unveränderte Hausinnere zu einer Qual und Johannes macht es sich im Gerätschuppen so gut es eben geht gemütlich.

Das Volksfest, die Rechten und eine Ex-Freundin

Johannes Laubmeier Das Marterl Cover Tropen Verlag

Laubmeiers Protagonist und Ich-Erzähler – nur während den in der Vergangenheit spielenden Kapiteln wechselt der Autor in die auktoriale Erzählweise – taucht tief in die eigene Historie und versucht, den Unfalltod seines Vaters zu rekonstruieren und zu verstehen. Hierzu durchforstet er die Unfallakten und befragt damalige Gutachter. Privat trifft er sich  aber auch mit einem ehemaligen Freund und landet wie früher auf dem Volksfest, wo schon die Rechtskonservativen aus dem Danubius-Verein beim Bier sitzen und schon mal gegen „Die Kanaken“ herziehen und schnell mal mit Gewalt drohen. Nein, so richtig warm ums Herz wird es Johannes während seines Heimattrips zunächst nicht. Entspannter verläuft die Begegnung mit seiner ehemaligen Freundin Marie, einst eine Punkerin, die später ausgerechnet den Döpfner von der Jungen Union geheiratet und sich eine bürgerliche Kleinstadt-Idylle samt Haus und einer aufgeweckten Tochter aufgebaut hat.

Ein cooler Vater

Im Mittelpunkt indes stehen die Erinnerungen. Die Erinnerungen an seine Kindheit und Jugend, die Erinnerungen an seinen Vater. Der, trotz späterer Differenzen und Meinungsverschiedenheiten, als ein häufig souverän reagierender und recht cooler Vater beschrieben wird. Der auf seinen kleinen Sohn eingeht und auf Augenhöhe mit ihm kommuniziert, wenn dieser als Tiefseetaucher und Meeresforscher am Bahnhof verkleidet auf ihn wartet. Oder er später zwei Wochen Strafarbeit beim Schuldirektor statt eines drohenden Schulverweises aushandelt und sich über die religiös vermeintlich ach so anstößige Tat seines Sohnes amüsiert.

Johannes Laubmeier und die Erinnerungen

Johannes Laubmeier changiert in seinen Erinnerungen zwischen intim-rührenden und distanziert-analytischen Geschichten. Der 1987 in Regensburg geborene Autor analysiert jedoch nicht psychologisch, sondern vielmehr journalistisch. Die Erinnerungen (und was sie aus uns machen), und keine Trauma-Bewältigung, sind offensichtlich Laubmeiers Schreibantrieb. Der an seine eigene Biographie angelehnte Roman war ursprünglich als Reportage gedacht, gerät aber als Prosawerk umso schöner und katapultiert sich auf eine Spitzenposition in der Reihe der „Zurück in die Kleinstadt, respektive Dorf“-Erzählungen. Johannes Laubmeier beherrscht sowohl den journalistischen als auch den poetischen Erzählstil und findet ein versöhnliches Ende in seiner zeitlich eingegrenzten Heimkehr. Ein bemerkenswerter Debütroman.

Johannes Laubmeier: „Das Marterl“, Tropen bei Klett-Cotta, Hardcover, 288 Seiten, 978-3-608-50168-1, 22 Euro. (Beitragsbild von Julia Sellmann Photography)

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