Eine Remaster-Reissue-Trilogie würdigt herausragende Alben von Joe Henry. Los geht’s mit „Civilians“, dem wohl größten Meisterwerk des US-Singer-Songwriters.
von Werner Herpell
Es soll ja immer noch Leute geben, die Joe Henry nur als Schwager von Madonna kennen. Tatsächlich ist der Musiker aus North Carolina seit 1987 mit Melanie Ciccone verheiratet und schob Madonna mit ihrer feschen Neuinterpretation seines Songs „Don’t Tell Me“ sogar mal einen Hit zu. Soviel zum Gossip-Faktor von Joe Henry, der ansonsten ein Grammy-dekorierter Producer ist (für Solomon Burke, Aimee Mann, Elvis Costello, Allen Toussaint, Hugh Laurie und viele viele mehr). Und natürlich ein herausragender Singer-Songwriter unter eigener Flagge – ja, einer der besten im Fach Folk, Country-Rock, Soul, Blues und Jazz überhaupt.
Das stärkste Joe-Henry-Album zuerst
Diese Solo-Facette seiner rund 40-jährigen Karriere wird nun mit einer über gut drei Monate gestreckten
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Veröffentlichungs-Trilogie gewürdigt, in der einige seiner Alben in edlen remasterten und erweiterten Neuauflagen erscheinen. Mit Recht als erste der drei Platten kommt im August „Civilians“ aus dem Jahr 2007 heraus – nach Meinung vieler Kritiker (und bei denen steht Henry viel höher im Kurs als bei Musikkäufern) seine stärkste Arbeit.
Produziert wie immer von Henry selbst, im Studio musikalisch umgesetzt mit einer Reihe genialer Sidekicks wie Bill Frisell, Greg Leisz, Patrick Warren, David Piltch und Jay Bellerose (seine Hausband) sowie prominenten Gästen wie Loudon Wainwright III und Van Dyke Parks, ist „Civilians“ ein monumentales Meisterwerk nicht nur im Katalog dieses Singer-Songwriters und Gitarristen, sondern im Americana-Genre schlechthin. Das Album sei „a naked light bulb, late-night reflection on what is impurely beautiful, profanely sacred, and beautifully treacherous“, urteilt das Online-Lexikon „Allmusic“ in seiner 4,5-von-5-Punkte-Bewertung – was man als eine mit Widersprüchen spielende Pop-Prosa kaum übersetzen kann, vielleicht so: Die Platte ist „eine spätabendliche Reflexion über das, was unrein schön, profan heilig und schön verräterisch ist“.
Archaisch und zeitlos zugleich
Die „Civilians“-Kompositionen (meist sind es zutiefst melancholische Balladen) und ihre Texte sind irgendwie archaisch und zugleich zeitlos, es geht um „Parker’s Mood“ und den „Civil War“, um das Amerika von früher und von heute, aber auch um sehr persönliche Reflexionen und Gefühle („Love Is Enough“, „I Will Write My Book“, „God Only Knows“). Und immer umschmeichelt den Hörer diese nicht im klassischen Sinne schöne, aber sehr intensive und ungeheuer warme Joe-Henry-Stimme. Die Arrangements der zwölf Original-Tracks sind fabelhaft – man kann nur den Hut ziehen vor so viel Feingefühl und profunder Kenntnis der vergangenen 70 bis 80 Jahre Musikgeschichte. Auch die vier auf Gitarre/Piano/Vocals reduzierten Demo-Aufnahmen (darunter das nicht auf dem 2007er Album enthaltene „Bread & Flowers“) klingen großartig.
Später in diesem Jahr werden noch die ebenfalls sehr lohnenden Joe-Henry-Werke „Blood From Stars“ (erstmals 2009 veröffentlicht) und „Invisible Hour“ (2013) als erweiterte Remaster-Versionen folgen. „Für mich ist es spannend, dieses Trio (…) mit der Reissue-Serie wieder aufleben zu lassen, da diese Alben zusammen eine Art Erwachsenwerden für mich als Künstler darstellen, weil ich aufgehört habe, die Grenze zwischen der Komposition eines Songs und seiner Artikulation im Studio zu betrachten“, sagt der inzwischen 63 Jahre alte Henry. „Alles wurde zu einem einzigen Impuls für mich (…), der direkt in meinem Keller in die Tat umgesetzt wurde.“
Joe Henry – zur Entdeckung freigegeben
Bleibt nur zu hoffen, dass noch viel mehr Hörer diesen wunderbaren Musiker für sich entdecken. Und dass bald etwas Neues von Joe Henry erscheint – das formidable Album „All The Eye Can See“ von Anfang 2023 ist schließlich auch schon wieder ein Weilchen her.
Das Album „Civilians“ von Joe Henry erscheint in einer remasterten und um vier Demos erweiterten Version am 23.08.2024 bei earMUSIC (CD/Vinyl/digital). In der Reissue-Trilogie folgen in ähnlicher Form die Joe-Henry-Alben „Blood From Stars“ (VÖ 18.10.2024) und „Invisible Hour“ (VÖ 06.12.2024).