Jess And The Ancient Ones: Vertigo

Jess And The Ancient Ones credit Jarkko Pietarinen

Psychedelic-, Blues-, Hard- und Prog-Rock mit Klasse: Neues Album der finnischen Band Jess And The Ancient Ones

Räucherstäbchen, Stroboskop- oder Schwarzlicht, Lava-Lampen und endlose Gitarren- wie Orgelsoli. Dazu ein spiritueller Überbau, freie Liebe sowie ein Flirt mit dem Gehörnten. Wir befinden uns nicht in den späten Sechzigern und nicht im San Franciscoer Stadtteil Haight-Ashbury, sondern in Europa, Mitte der 00er Jahre. In Schweden, den Niederlanden wie auch in Finnland tauchen Formationen auf, welche die Fackel der Dunkel-Hippies weiter tragen, dabei zum Teil tief in der luziferianischen Mystik involviert sind – teilweise jedoch nur diesem Vintage-Style huldigen oder sich mit esoterischem Selbstoptimierungsquark begnügen. Bands aus Kanada, Italien und dem Rest der Welt folgen. Die Dichte der hochklassigen Veröffentlichungen dieser Zeit war immens, doch übrig sind anno 2021 davon nicht mehr allzu viele Interpreten.

Der Okkultismus light von Jess And The Ancient Ones

Jess And The Ancient Ones Vertigo Cover Svart Records

Enter Jess And The Ancient Ones, die am kommenden Freitag ihr viertes Album seit 2010 veröffentlichen und nebenbei noch zwei Alben in identischer Besetzung als The Exploding Eyes Orchestra herausgebracht haben. Zwei von drei Gitarristen blieben auf diesem Weg auf der Strecke, weswegen das Quintett jedoch nicht weniger orchestral wirkt. Mastermind wie Songschreiber ist Thomas Corpse, und ja, ich würde da auch von einem Pseudonym ausgehen. Songtitel wie „Love Zombi“ oder „Talking Board“ (der sich mit dem Ouija-Brett beschäftigt) illustrieren ebenso den vorherrschenden Okkultismus light, der dem Gesamtkonzept eine unterhaltsame Note verpasst, so wie man sich auch bei alten Hammer- oder Mario Bava-Filmen gut unterhalten fühlt.

Diese „Unterhaltung“ im Vergleich zu einem wahrhaften Satanismus ist das, was JATAO in der Vergangenheit häufiger von ehemaligen Mitstreitern auf dem spirituellen Retro-Rock-Markt vorgeworfen wurde – den zuhörenden Menschen kann solch Trueness-Diskussion jedoch völlig egal sein, solange solch ansprechenden Töne wie in diesem Fall (sowie den Veröffentlichungen zuvor) vorgelegt werden.

Psychedelischer Blues-, Hard- und Prog-Rock

Psychedelisch bis leicht angeproggt kommen die Songs des Quintetts daher, vom düsteren Fünf-Minuten-Hardrock bis zur ausufernden Hymne. „Burning The Velvet Fires“ neben „World Paranormal“ ist bereits ein Doppeleinstieg nach Maß und illustriert den begeisternden Signature-Sound der Finnen – Thomas lässt seine Gitarre jaulen, Jess beschwört die gesamte Range ihrer stimmlichen Ausdrucksformen, Bass sowie Orgel laden mit Stakkato-Rhythmen zum Kopfzucken ein.

Das ist ein handwerklich astrein gemachter Sound, der den großen Vorgängern wie Roky Erickson oder Coven, aber auch Uriah Heep oder Jefferson Airplane in nichts nachsteht. Von diesem Fundament aus schaffen Jess And The Ancient Ones jedoch ebenso Neues, wie es sich vor Allem im Longtrack „Strange Earth Illusion“ manifestiert, bei dem das ganze Ensemble aus dem Vollen schöpft und in seiner Dynamik Blues, Hardrock oder Progrock inkludiert. Darüber hinaus sind JATAO in ihren besten Momenten auch immer Pop. Das ist vielleicht nicht besonders „trve“, aber es ist durchweg Klasse. Will die jetzt endlich mal wieder live sehen.

„Vertigo“ von Jess And The Ancient Ones erscheint am 21.05.2021 bei Svart Records / Cargo Records. (Beitragsbild von Jarkko Pietarinen)

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