Jens Balzer: Schmalz und Rebellion

Jens Balzer by Roland Owsnitzki

Mit seinem Buch „Schmalz und Rebellion – Der deutsche Pop und seine Sprache“ macht der Journalist Jens Balzer Lust aufs Musikhören und Wiederentdecken

Der deutsche Pop hatte schon immer ein gespaltenes Verhältnis zu seiner Muttersprache. Abgesehen vom Heile-Welt-Schlager der 1950er-Jahre und den zum Teil abstrusen deutschsprachigen Versionen von Songs britischer und amerikanischer Beatbands in den 60er Jahren wurde hierzulande lange Zeit überwiegend auf Englisch gesungen. Doch es gab Ausnahmen: Politische Liedermacher, die auch wieder Mundarten und Dialekte salonfähig machten und vereinzelte Pop- und Rock-Acts. Mit der Neuen Deutschen Welle (spätestens) änderte sich das. Es folgten unter anderem Hamburger Schule, Hip-Hop, migrantische Musik der ersten und zweiten Generation. Die Deutschquote im Radio hat dann zu einer Explosion von Deutsch-Pop geführt.

Jens Balzer, unter anderem Autor im Feuilleton der ZEIT und Kolumnist für Radio Eins und den Rolling Stone erzählt in „Schmalz und Rebellion – Der deutsche Pop und seine Sprache“ eine Geschichte der Sprache (und Sprachen) im deutschen Pop von 1946 bis heute. Und er will Lust machen aufs Musikhören und Wiederentdecken.

Der Bogen von Caterina Valente zu Rammstein

Jens Balzer Schmalz und Rebellion Cover Duden Verlag

Das gelingt ihm äußerst gut. Denn die 18 Kapitel seiner Sprachanalyse sind gespickt mit zahlreichen Anekdoten zu Entstehung der Songs, ihren Interpret:innen und dem Zeitkontext. Jens Balzer spannt einen Bogen von Caterina Valente zu Rammstein, von Freddy Quinn zu Blumfeld von Nina Hagen zu den Flying Lesbians. Die Popmusik spiegelt dabei den Zustand des Landes (BRD wie DDR) wider. Der 50er-Jahre-Schlager zwischen Verdrängung und Fernweh mit seinen Sänger:innen und ihren (vermeintlich echten) exotischen Akzenten ist dabei Ausgangspunkt der Erzählung. Ganz anders kosmopolitisch war der experimentelle Krautrock der 1970er-Jahre. Cans mantraartigen Texte, die wie Voodoo-Beschwörungen klangen, sind von ganz anderer sprachlicher Natur als alles zuvor Dagewesene. Die Sprache von Kraftwerk, reduziert auf wenige Satzfragmente, erscheint in der Analyse von Balzer wie ein eigenes Instrument. Die kreative Sprachverwendung vieler NDW-Acts und die toxische Männlichkeit-Poesie der Berliner Rapper in den 2000er- und 2010er-Jahren fällt dagegen durch ihre Explizität auf.

Jens Balzer als Augenöffner

Deutsche Popmusik von der Sprache aus zu betrachten, ist ein interessanter Ansatz, der zum Teil ganz andere Protagonist:innen ins Rampenlicht rückt als es Verkaufszahlen oder Popularität täten. Und so ist Balzers Buch auch ein Augenöffner für in Musik abgebildete Nationalgeschichte.

Jens Balzer: „Schmalz und Rebellion – Der deutsche Pop und seine spräche“, Duden Verlag, Hardcover, 224 Seiten, 978-3-411-75669-8, 20 Euro. (Beitragsbild von Roland Owsnitzki)

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