Jeff Buckley: You And I – Album Review

Ein geniales Vermächtnis des viel zu früh verstorbenen Jeff Buckley

von Gérard Otremba

Als 1997 die Nachricht vom Tode Jeff Buckleys durchsickerte, stand die Welt für zahlreiche Musikenthusiasten eine Zeit lang still. Im Alter von 30 Jahren ertrank Jeff Buckley am 29.05. jenes Jahres während der Aufnahmen zu seinem zweiten Album bei einem Badeunfall in Memphis. Ein tragisches Ende eines Künstlers, dem zu wenig Zeit vergönnt war, sein geniales Talent zur vollen Blüte entfalten zu können. Sein einziges zu Lebzeiten erschienenes Studioalbum Grace gehörte zu den aufregendsten Neuerscheinungen des Jahres 1994, Buckleys Version von Leonard Cohens „Hallelujah“ gehört mithin zu den besten Coversongs aller Zeiten, seine Stimme schien Steine erweichen zu können. Jeff Buckleys emotionale Tiefe übertraf alles andere aus den 90ern und erinnerte natürlich an seinen ebenfalls zu früh verstorbenen Vater Tim Buckley.

Bereits kurz vor der Veröffentlichung von Grace ließ Buckley sein Potential mit der EP Live At Sin-é aufblitzen, wo er mit einer wahnsinnig genialen, zehn-minütigen Interpretation des Van Morrison-Klassikers „The Way Young Lovers Do“ die Hörer in seinen Bann zog. Die Songs auf You And I hat Jeff Buckley im Februar und November 1993 allein mit Gitarre in New York aufgenommen und bis auf seine beiden Eigenkompositionen „Grace“ und „Dream Of You And I“ versammelt das Album acht bisher unveröffentlichte Coverversionen, die erst vor wenigen Jahren bei den Vorbereitungen zu der Jubiläumsausgabe von Grace auftauchten und die Buckleys Klasse als Sänger, Gitarrist und Interpret unter Beweis stellen.

Mehr Soul kann auch Bob Dylan seinem meisterhaften „Just Like A Woman“ nicht einhauchen, man lauscht sofort ehrfurchtsvoll und gespannt Buckleys Stimme, die fesselt und in die tiefsten Seelenregionen vorstößt. Ähnlich überragend wie seine „Hallelujah“-Fassung. Funk im Alleingang? Für Buckley kein Problem mit „Everyday People“ von Sly And The Family Stone. Die Intimität und Intensität seiner Songs „Grace“ und „Dream Of You And I“ sowie „Calling You“ von Jevetta Steele und „Don’t Let The Sun Catch You Cryin‘“ von Louis Jordan ist kaum noch auszuhalten. Vergleichsweise als beschwingt und leichtfüßig zu bezeichnen ist sein The Smiths-Cover „The Boy With The Thorn In His Side“ und mit dem Bukka White-Traditional-Blues „Poor Boy Long Way From Home“ treibt Buckley uns um Jahrzehnte in die Zeit vor dem Rock’n’Roll zurück.

Und wer konnte schon ein Klagelied bewegender anstimmen als Jeff Buckley? In Led Zeppelins „Night Flight“ lotet er alle seine stimmlichen Möglichkeiten aus, und die machen eine ganz kirre. Den großen Romantiker gibt Buckley beim zweiten Smiths-Cover „I Know It’s Over“ und alle schmachten dahin. You And I ist wahrscheinlich das letzte Vermächtnis eines der genialsten aller zu früh verstorbenen Rock-Musiker. Ein Schatz voller erdrückender Schönheit, den viele, sehr viele Menschen würdigen sollten.

„You And I“ von Jeff Buckley ist am 11.03.2016 bei Columbia / Legacy / Sony Music erschienen.

 

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