James Yorkston und Nina Persson im Inteview

James Yorkston & Nina Persson credit Anna Drvnik

„Neue Töne, neue Akkorde, neue Inspirationen“Ein Sounds & Books-Interview mit James Yorkston und Nina Persson, deren erstes gemeinsames Album am 13.01.2023 erscheint.

Ein unerwartetes Doppel mit einem Album, das „the best of both worlds“ elegant vereint: Der in Indie-Folk-Kreisen seit langem gepriesene schottische Singer-Songwriter James Yorkston und Nina Persson, die geliebte Frontfrau der schwedischen Nineties-Popband The Cardigans, haben sich für „The Great White Sea Eagle“ zusammengetan. Die unterschiedlichen Stimmen von Yorkston (knorrig herb) und Persson (lieblich hell) untermalt kongenial das Second Hand Orchestra, ebenfalls aus Schweden, unter Leitung seines Masterminds Karl-Jonas „KJ“ Wingqvist.  Ein Interview über dieses in jeder Hinsicht gelungene Kooperationsprojekt, die Verbindungen der Musiker und ihrer nördlichen Länder, über traurige und aufgedrehte Lieder – und die Zukunft der Cardigans.

Hallo Nina und hallo James. Wie schön, mit Euch sprechen zu dürfen. Also lasst uns am besten gleich mit dem neuen Album beginnen, mit „The Great White Sea Eagle“. Das ist ein großes Hörvergnügen von Anfang bis Ende, eine wirklich herzerwärmend schöne Platte. Also, James, wann und wie begann dieses Kollaborationsprojekt mit Deinen schwedischen Freunden?

James Yorkston: Mein erstes Album mit The Second Hand Orchestra, „The Wide Wide River“, wurde ja schon vor einigen Jahren aufgenommen. KJ hatte davor Kontakt mit mir aufgenommen und gefragt: Hey, willst Du herkommen und nach Deiner Deutschland-Tournee ein Konzert in Schweden spielen? Also sagte ich, dass ich große Lust dazu hätte. Und er fragte: Soll ich etwas Studiozeit buchen, um neue Versionen Deiner alten Songs aufzunehmen? Aber irgendwie fand ich das nicht so toll, und ich entgegnete: Warum soll ich nicht ein paar neue Lieder schreiben?

Die klangen dann großartig, wir machten das Album, und es erhielt sehr gute Reviews. Danach wollte ich nicht das Gleiche nochmal machen. Also schrieb ich Lieder diesmal am Klavier, das veränderte den Ton gegenüber dem Schreiben zur Gitarre. KJ sagte, es sei eine sehr gute Idee, mal etwas Anderes auszuprobieren. Er schlug dann vor, eine neue Sängerin zu gewinnen, und Nina war der Name, der mir am meisten zusagte. Das ist die Vorgeschichte von „The Great White Sea Eagle“, so knapp wie möglich zusammengefasst. Und hier stehen wir jetzt.

Und, Nina, wie war Deine erste Reaktion auf die Frage nach einem ganzen Album?

Nina Persson: Nun, als ich von KJ und James gefragt wurde, ob ich mich beteiligen wolle, da hatte ich James noch nicht mal kennengelernt. Ich bekam also einige seiner Lieder zugesandt, und es wurde empfohlen, mir die ältere Platte mit The Second Hand Orchestra nochmal anzuhören. Ich liebte sie. Dann haben wir ein bisschen am Telefon geplaudert, und irgendwann sagten wir uns: Komm, wir machen das jetzt. James besuchte mich an einem Nachmittag in Malmö. Wir spielten etwas zusammen, wir dachten beide, dass es funktioniert, und wir machten die Platte. Du siehst, wir hatten nicht viel künstlerische Erfahrungen miteinander vor den Aufnahmen. Aber es fühlte sich nach einer guten Kombination an seit dem ersten Moment, als KJ die Sache ins Rollen brachte. James und ich haben einfach seinem Fingerspitzengefühl vertraut.

James Blunt oder James Yorkston?

Stimmt es eigentlich, dass Du zuerst an James Blunt gedacht hast,  als Du von einem James hörtest?

Nina Persson (lacht): Kannst Du mir sagen, wo Du das her hast?

Das hat „The Scotsman“ im Dezember in einer Story über Euch geschrieben.

Nina Persson: Nein nein, das stimmt nicht. Eine schwedische Nachrichtenagentur hat so etwas wohl mal geschrieben. Und dann war es nur ein Jux, den James bei unseren Konzerten auf der Bühne erzählte. Was haben wir gelacht darüber. Aber nein, ich möchte nicht, dass das nun jemand für bare Münze nimmt. Ich war von Anfang an sehr froh, dass es sich um James Yorkston handelte.

James, Du hast Deine neuen Lieder am Klavier angefangen, im Gegensatz zu früher, als das immer an der Gitarre losging. Wie hat dieser neue Ursprung die Stimmung und Atmosphäre der Aufnahmen beeinflusst? Für mich klingt der Sound nun wärmer, milder, sogar ein bisschen poppig.

James Yorkston: Also ich spiele jetzt seit 30 Jahren Gitarre, damit kriege ich schon ein bisschen was hin. Dagegen spiele ich Klavier erst seit drei Jahren oder so, dabei bin ich daher nicht so gut. Meine Stimme ist bekanntlich nicht das präziseste Instrument. Als ich nun Klavier spielte, gingen meine Finger in neue Richtungen, es passte zusammen. Es ist mir momentan ein riesiger Genuss. Das hat mir neue Töne eröffnet, neue Akkorde auch, neue Inspirationen. Eine größere Offenheit.

Orchester mit großer Pop-Sensibilität

Nina, bitte erzähl uns doch mal was über das Second Hand Orchestra. Weshalb sind diese Musiker so etwas Besonderes?

Nina Persson: Ich glaube, die Idee hinter dieser „Band“ ist, im schönsten Sinne unsicher zu klingen und damit organischer. Es gibt da ein richtig behagliches Orchester-Gefühl und das einer vollwertigen Band mit Bläsern und Streichern und alldem. Außerdem natürlich eine große Pop-Sensibilität, neben all den anderen Sensibilitäten. Also das ist eine so spannende Gruppe, voller Neugier und Gefühl.

James, Nina ist als Sängerin nicht Dein einziger Promi-Gast derzeit. Wir sehen da auch Phil Selway von Radiohead in den Videos mitmachen. Wann hat sich der denn angeschlossen, und ist er ein Freund von Dir?

James Yorkston: Phil spielt zwar nicht auf dem Album mit, aber er war auf Tour dabei, und er wird auch in Zukunft Konzerte mit uns spielen. Ja, Phil ist ein alter Freund, wir haben uns schon vor vielen Jahren getroffen. Warum eigentlich nochmal? Ach ja, er hat ein Konzert in London für mich als Support eröffnet, und wir haben uns sofort sehr gut verstanden. Er ist so ein feiner, supernetter Kerl. Und er nimmt sich auch nicht selbst allzu ernst, er lacht andauernd. Als mein Drummer es unglücklicherweise kurzfristig nicht zur UK-Tournee schaffte, war Phil der einzige Schlagzeuger, den ich kannte, und ich musste ihn einfach fragen. Er hatte Lust dazu, und es passte sehr gut. Nicht gerade der schlechteste Drummer der Welt, oder (lacht)?

Nina, wenn Du über diese Schottland/Schweden-Verbindung nachdenkst – gibt es da eine Brücke zwischen beiden Ländern in musikalischer Hinsicht? Denn für einige Hörer mag das ja weit auseinander liegen, ein schottischer Folksänger und ein schwedischer Popstar.

Nina Persson: Also die schottische Musikszene kenne ich nun nicht besonders gut. Und ich habe vorher auch nie so etwas wie Folkmusik praktiziert. Aber ich bin damit in meiner Familie aufgewachsen. Wir haben immerzu gesungen, wir haben Folksongs und Sauflieder gesungen, das war ein wichtiger Teil meiner Erziehung. Ich denke, so etwas ist auch immer noch ein wichtiger Teil der schwedischen Kultur. Als Länder, als Kulturen gibt es da einige Übereinstimmungen. Ähnliche Temperamente, das Klima, die Nähe zum Wasser vielleicht, das Leben in den Außenbezirken der westlichen Welt. Ja, ich finde, da gibt es tatsächlich Verbindungen.

James, die Texte sind immer wichtig für Deine Lieder. Zum Beispiel in „An Upturned Crab“, ich zitiere mal: „I made a life on the road/and I thought I was doing grand/but the gold remained at home/and I missed watching you grow.“ Das ist so schön – und auch traurig. Macht Dein Job als Musiker Dich manchmal melancholisch?

James Yorkston: Es ist eine schwierige Sache, über Lyrics zu reden, weil sie für mich halt sehr persönlich sind, oft geht’s um Familie oder Freunde. Nicht immer leicht zu erzählen. Was diesen Text betrifft: Ich denke, wenn man dauernd schreibt, klar, dann kommt auf Reisen die Zeit, wo man melancholisch wird und seine Familie vermisst. Andererseits, ich trage Musik in mir, ich kann damit meinen Lebensunterhalt verdienen, und es fühlt sich eigentlich nicht wie Arbeit an. Ich erlebe damit etwas Wunderbares – zum Beispiel mit Leuten wie Nina oder The Second Hand Orchestra.

Sehr gern weiterhin unter dem Radar

Daneben gibt es auch den tollen Singalong-Track „Hold Out For Love“ auf dem neuen Album. Ich fürchte, diese Ohrwurm-Melodie werde ich in meinem ganzen Leben nicht mehr los. Hast Du damit quasi den ersten James-Yorkston-Hit geschrieben?

James Yorston (lacht): Das will ich nicht hoffen, denn ich fühle mich sehr wohl unter dem Radar. Zu diesem Song: Ich fahre gern mit meinem Sohn herum, dabei erfinden wir immer ein paar idiotische Lieder, völligen Nonsens, der nichts zu bedeuten hat. Eines Tages fuhren wir also an der Küste entlang, und wir begannen „Hold Out For Love“ zu singen. Nein, er wollte kein Songcredit dafür, es war ihm eher peinlich, was würden seine Freunde dazu sagen und so… Daher nahm ich die Idee zuerst mal auf meinem Mobiltelefon auf, dann zuhause im Studio ein schnelles Demo, später den ganzen Song in Stockholm mit Nina und dem Second Hand Orchestra. Das lief spontan außerhalb der eigentlichen Sessions in Schottland. Und jetzt liebe ich es sehr, das zu singen.

Nina, ich muss Dich das jetzt einfach fragen, weil viele Deiner Fans es so gern wissen wollen: Wird es jemals eine Cardigans-Reunion im Studio geben, vielleicht mit einem neuen Album?

Nina Persson: Nein. Wir haben lange genug gesagt, dass wir es nicht wüssten. Aber jetzt kann ich sagen: Nein, dazu wird es nicht kommen. Ich habe mir die Frage selbst immer wieder gestellt, sie hing für Jahre in der Luft. Aber nein, das wird es nicht geben. Wir werden weiterhin Konzerte spielen, und wir werden uns bemühen, das irgendwie frisch zu halten, so lange wie möglich, so lange wie es uns Spaß macht.

Meine letzte Frage geht an James. Du bist ja berühmt dafür, dass Du Dich mit sehr unterschiedlichen Musikern aus sehr unterschiedlichen Stilrichtungen zusammentust. Mit wem würdest Du gern als nächstes arbeiten? Gibt es schon irgendwelche neuen überraschenden Pläne am Yorkston-Horizont?

James Yorkston: Ach, weißt Du, ich würde gern gleich nochmal mit Nina zusammenarbeiten… Nein, keine Ahnung. Ich habe derzeit schon so viele Sachen am Laufen. Erst voriges Jahr kam ja mein neues Buch heraus, und ich habe einen Soundtrack für einen Film geschrieben. Dann gibt es auch noch mein (experimentelles) Trio Yorkston/Thorne/Khan, wir machen da gerade was Neues. Und dann kommen jetzt bald die Konzerte mit Nina. Daher muss ich mich jetzt nicht nach einer anderen Sängerin umschauen. Also einfach mal abwarten.

„The Great White Sea Eagle“ von James Yorkston, Nina Persson & The Second Hand Orchestra erscheint am 13. Januar 2023 bei Domino. (Beitragsbild von Anna Drvnik)

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