James Baldwin setzt dem Rassismus die Liebe entgegen
Das Jahr der James Baldwin-Wiederentdeckung. Ende Februar erschien mit Von dieser Welt der Debütroman des 1924 in New York geborenen und 1987 in Südfrankreich verstorbenen amerikanischen Schriftstellers in einer fabelhaften Neuübersetzung von Miriam Mandelkow, die auch für die Übertragung von Beale Street Blues verantwortlich zeichnet. In seinen Mittzwanzigern floh James Baldwin aus den USA nach Europa, weil er den amerikanischen Rassismus nicht aushielt. In seinen Büchern stellt er das wichtigste gesellschaftliche Thema Amerikas in den Mittelpunkt.
James Baldwin und die Geschichte von Tony Maynard
War Von dieser Welt noch deutlich autobiographisch gefärbt, so ließ sich Baldwin für seinen fünften und vorletzten Roman von der Geschichte seines Freundes Tony Maynard inspirieren, der wegen eines nicht begangenen Verbrechens sechs Jahre lang unschuldig im Gefängnis saß. Dort verbringt in Beale Street Blues auch der 22-jährige Alonzo Hunt, von allen Fonny genannt, seine Zeit, der von einem weißen Polizisten wegen einer angeblichen Vergewaltigung an einer Puerto Ricanerin eingebuchtet worden ist. Der Roman beginnt mit dem Besuch seiner 19-jährigen Freundin Clementine Rivers im Knast, die Fonny die Botschaft ihrer Schwangerschaft überbringt. Die beiden kennen sich seit der Kindheit und sind fast zwangsläufig ein Paar geworden.
Der amerikanische Rassismus
James Baldwin erzählt die Geschichte aus der Perspektive von Tish, wie Clementine gerufen wird, und zeigt sowohl die Spannungen zwischen den Hunt- und Rivers-Familien nach Bekanntgabe der Schwangerschaft als auch die Ohnmacht gegenüber einem Justizsystem, das Zeugen einschüchtert und manipuliert, als auch den unbedingten Kampfeswillen, alles Mögliche zu versuchen, um Fonny aus dem Gefängnis zu holen. Denn dass dieser unschuldig einsitzt, ist gar nicht die Frage und das Motiv des Cops, Fonny, mit dem er bereits vorher aneinandergeriet, dem er aber aufgrund einer Zeugenaussage nicht anhaben konnte, aus Bosheit und eines rassistischen Überlegenheitsgefühls heraus zu schikanieren, liefert Baldwin im Verlauf des Romans mit.
Gegen Gott und die Welt
Bei all den Ungerechtigkeiten, die ihrem Umfeld widerfahren, verwundert es also nicht, wenn Baldwin Tish ein negatives Bild der USA und von Gott in den Mund legt: „Wobei ich sagen muss, das Gott meiner Meinung nach mit Amerika überhaupt niemanden ein Geschenk gemacht hat – sonst sind Gottes Tages garantiert gezählt. Dieser Gott, dem die Menschen angeblich dienen – dem sie ja auch wirklich dienen, aber anders, als sie ahnen -, muss einen verdammt fiesen Humor haben. Den würde man windelweich prügeln, wenn der ein Mann wäre. Oder wenn man selber einer wäre.“
James Baldwin und die Liebe
Dem Leid des Lebens setzt James Baldwin in seinem 1974 veröffentlichten, in Harlem angesiedelten und just von Regisseur Barry Jenkins verfilmten Roman, dessen Titel auf den Blues-Song „Beale Street Blues“ zurückgeht und der sich wie ein Blues-Song liest, die Liebe entgegen. Die Romeo-und-Julia-hafte Liebe zwischen Tish und Fonny, die allen Widrigkeiten trotzt. Eine Liebe in einer rassistischen, sexistischen und aus Gewalt bestehenden Gesellschaft, in der häufig Frauen die Opfer sind. Genauso wichtig wie die Liebe zwischen Tish und Fonny ist es für Baldwin, die Liebe in den Familien und die Liebe unter Freunden als Mittel für einen Ausweg darzustellen. Denn wo immer Leid herrscht, ist ein Trost. In Baldwins Roman ist es die Liebe, in der Literaturgeschichte sind es Baldwins Bücher.
James Baldwins: „Beale Street Blues“, dtv, aus dem amerikanischen Englisch von Miriam Mandelkow, Hardcover, 224 Seiten, 978-3-423-28987-0, 20 € (Beitragsbild: Credit Ullstein Bild, Roger Viollet, Jean Pierre Couderc).