Isolation Berlin live in Hamburg – Konzertreview

Isolation Berlin live Molotow 2016 by Gérard Otremba

Berlins Underground schlägt zurück

Text und Fotos von Gérard Otremba

So schnell ändern sich die Zeiten. Beim Reeperbahnfestival im September letzten Jahres spielte Isolation Berlin noch vor einer reichlich überschaubaren Gästeschar im Grünen Jäger, am 01.04.2016 ist das Molotow ausverkauft. Das im Februar veröffentlichte und nicht nur bei Sounds & Books gefeierte Debütalbum „Und aus den Wolken tropft die Zeit“ meldet bereits seine Ansprüche, in die Top-Ten-Liste des Jahres 2016 aufgenommen zu werden, und markiert einen glanzvollen Höhepunkt der deutschen Rockgeschichte. Berlins Latte Macchiato, oder sonstige Trendgetränke schlürfende, mainstreamige Hipster-Gesellschaft muss sich warm anziehen, denn der Hauptstadt-Underground schlägt mit Isolation Berlin vehement zurück.

Isolation Berlin Molotow 2016

Nachdem die aus der Nähe Hamburgs stammende Band Swutscher bereits sehr früh, nämlich deutlich vor 20 Uhr, die anwesenden Gäste mit einem witzigen Theken-Walzer-Punk-Garagen-Pop-Rock’n’Roll-Set in Stimmung brachte, betritt das Berliner Quartett Isolation Berlin schon um 20.30 Uhr die Bühne des Molotow. Tobias Bamborschke (Gesang, Gitarre), Max Bauer (Gitarre, Keyboard), David Specht (Bass) und Simeon Cöester (Schlagzeug) beginnen das Konzert mit dem Allüren-haften Album-Opener „Produkt“, in dem uns Bamborschke die Zeilen „Ich will, dass ihr mich liebt“ entgegenschleudert. Tun wir doch, tun wir doch längst. Von der auf dem Album deutlich ausgeprägten Element Of Crime-Melancholie ist beim Molotow-Gig nicht mehr viel übrig. Erst während der traumhaft schönen Trennungsballade „Schlachtensee“ (der legere NDW-Indie-Pop von „Annabelle“, der saloppe, orgelinfizierte Sixties-Pop bei „Aufstehen, losfahrn“ sowie der New-Wave-Funk-Disco-Sound von „Verschließe dein Herz“ waren zu diesem Zeitpunkt schon Geschichte) macht sich die Schwermut bemerkbar.

Isolation Berlin Molotow 2016

Isolation Berlin macht sich nicht in Mitte bequem, vielmehr schein in Berlin „Alles grau“ (Bamborschke im Rio Reiser-Stil) zu sein. Schmerz, Wut, Trennung, Einsamkeit,  Enttäuschung sind wichtige Parameter im Kosmos von Isolation Berlin, die sich „In manchen Nächten“ eindringlich Bahn brechen. Tobias Bamborschke verleiht diesem nochmals an Element mahnenden Schwermüter mit seinen Schrei-Attacken Kraft und Nachdruck. Danach wird es temporeich. „Ich wünschte, ich könnte“ baut sich mit verzerrten Wah-Wah-Gitarren zu einem theatralischen Indie-Rock-Finale auf, „Ich küsse dich“ nimmt die apokalyptischen Ausmaße früher Nick Cave-Songs an, mit „Bus der stillen Hoffnung“ unternehmen wir ebenfalls eine Reise in die Post-Punk-Zeit der End-70er, während „Körper“ Punk und Indie-Rock brachial und erfrischend zusammenführt.

Isolation Berlin Molotow 2016

Es wird rauschhaft. „Prinzessin Borderline“ lässt die besten Fehlfarben-Zeiten wieder aufleben und „Meine Damen und Herren“ ist Fehlfarben, DAF, Franz Ferdinand und Bloc Party auf Speed. Im opulenten Gitarren-Schlagzeug-Wall-of-Sound von „Isolation Berlin“ endet das Konzert und Tobias Bamborschke lässt uns an seiner zerrissenen, morbiden Hass-Liebe zu Berlin und dem Leben teilhaben. Die erste Zugabe „Fahr weg“ verursacht gar eine Gänsehaut im sonst so stickig-warmen Molotow und „Wahn“ gebiert sich wild und wüst, so muss es einst bei Nick Cave und Birthday Party gewesen sein, so ist es heute mit Isolation Berlin. Isolation Berlin ist nicht nur eine sehr gute, sondern auch eine sehr wichtige zeitgenössische deutsche Band. Unbedingt hören- und sehenswert.

Isolation Berlin Molotow 2016

Isolation Berlin Molotow 2016

Isolation Berlin Molotow 2016

Isolation Berlin Molotow 2016

Isolation Berlin Molotow 2016

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