Interview mit dem Autor und Rockmusiker Thees Uhlmann

Ein Exzess der Gefühle

Aufgezeichnet und fotografiert von Gérard Otremba

Während der Frankfurter Buchmesse hatte ich das Vergnügen, ein Interview mit Thees Uhlmann führen zu dürfen. Der Rockmusiker hat unlängst seinen ersten Roman Sophia, der Tod und ich beim Kölner Verlag Kiepenheuer & Witsch veröffentlicht. Über seine Gefühlslage beim Schreiben des Romans sowie über die Buch- und Musikbranche stand mir Thees Uhlmann Rede und Antwort.

Thees, eine Woche vor der Frankfurter Buchmesse ist Dein Debütroman „Sophia, der Tod und ich“ erschienen. Welche Gedanken gingen Dir durch den Kopf, als Du das Buch zum ersten Mal in den Händen gehalten hast?

Ich war wirklich einfach wahnsinnig stolz. Das hat jetzt so lange gedauert, weil ich den Vertrag schon sehr lange in der Tasche hatte und dann bin ich noch von außen darauf gestupst worden, dass jetzt vielleicht mal der richtige Zeitpunkt dafür wäre, das Buch zu schrieben. Ich habe dann sehr intensiv mit meiner Lektorin zusammen gearbeitet und ich war einfach stolz, dass ich damit durchgekommen bin, dass ich kein Buch über Musik geschrieben habe und es geworden ist, wie ich es geplant habe und jetzt bin ich einfach glücklich. Ein kollektiver Stolz.

 

Du hast als Widmung in Deinem Buch mit „Long May You Run“ ein Neil Young-Zitat gewählt. Was bedeutet Dir seine Musik?

Ich war schon immer ein Mega-Fan von ihm gewesen. Das begann schon so mit 15, 16 Jahren. Als die Mauer `89 fiel, sagte ein Radiomoderator „Keep on rockin‘ in the free world! Das ist nicht von mir, sondern von Neil Young“ und ich bekomme noch heute eine Gänsehaut, wenn ich daran denke. Es war ziemlich schnell klar, dass ich diese Widmung wollte, die ja für meine Mutter und meine Tochter und für meinen verstorbenen Freund Uwe Podratz ist. Ich finde „Long may you run“, das sind wohl die vier simpelsten englischen Vokabeln, aber die sind auch wieder so gut, dass sie eine riesige Welt aufmachen können. Ich könnte wahrscheinlich schon allein über die Widmung 30 Seiten schreiben. Doch, das hat sehr gut gepasst.

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Jetzt hattest Du als Musiker und Sänger schon vorher viel mit Texten zu tun. Worin besteht für Dich der elementare Unterschied zwischen dem Schreiben von Songtexten und diesem Roman?

Ich bin ja jetzt nicht so der geübte Autor. Der große Unterschied war für mich das Alleinsein über einen sehr, sehr langen Zeitraum. Ein Song ist relativ schnell im Kollektiv der Band. Es heißt zwar Thees Uhlmann & Band, aber die Band ist für mich sehr wichtig. Aber das Sich-selbst-Aushalten, das Weitermachen, Angst zu haben, zu überlegen, so eine Reise zum Arschloch von sich selbst zu machen. Ich fühlte mich schon sehr einsam. Eine mega andere Welt. Es war ein Exzess der Gefühle. In der Zeit sind sogar Freundschaften zerbrochen.

 

Was ist anstrengender, ein Buch zu schreiben, oder eine Platte aufzunehmen?

Zur Zeit müsste ich wirklich sagen, das Buch ist anstrengender. Eine Platte aufzunehmen ist schon auch hart, aber die nimmst du in so vier, fünf Wochen auf, nur das Komponieren dauert etwas länger. Ich finde es im Nachhinein lustig, dass ich es geschafft habe, denn das ist in meinem Charakter eigentlich gar nicht vorgesehen.

 

Wie wäre denn Dein Charakter?

Ich bin nicht gern allein. Es bringt mir einfach keinen Spaß. Letztendlich habe ich mit dem Schreiben erst nach Aufforderung meines Managers und besten Freundes Rainer sowie von Tobi aus meiner Band angefangen. Ich musste mich also nicht selbst entscheiden, Menschen, die ich liebe sagten, jetzt ist der richtige Augenblick, um das Buch zu schreiben. Ich halte mich auch nicht für genial und gehe hin und sage „Mein Name ist Uhlmann, ich schreibe jetzt meinen ersten Roman“. Das war für mich schon eine echte Hausnummer.

 

Du hast bereits einige Lesungen hinter Dir. Liest Du gerne vor?

Ja, ich liebe es, vorzulesen. Ich bin natürlich durch das Zu-Bett-Lesen bei meiner Tochter geschult, aber auch hier ein Exzess der Gefühle, keine Gitarre, keine 120 Dezibel, sondern nur „moin, mein Name ist Uhlmann, ich möchte euch etwas vorlesen“. Die Lesungen sind toll, es kommen ganz viele Leute, es bringt Spaß und ich habe das Gefühl, die Leute verstehen, was ich möchte. Dass ich ein unterhaltsames Buch geschrieben habe, bei dem jeder noch tiefer über sich selbst und die Existenz nachdenken kann.

 

Gab es eigentlich ein auslösendes Ereignis, das Dich zu Deinem Roman inspirierte?

Nein, auch eine neue Erfahrung für mich. Ich habe wirklich ein Vierteljahr nachgedacht, worüber ich schreiben könnte, und dann habe ich mit mir alleine Ideen sondiert.

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Hast Du Lieblingsautoren, oder Lieblingsbücher?

„Die Korrekturen“ von Jonathan Franzen habe ich jetzt drei Mal gelesen und ich glaube zehn Mal gehört. Die Familie ist immer eine Leinwand, über die ich viel nachdenke, und da habe ich viel an Bewusstsein in den „Korrekturen“ gelernt. Ich traue mich aber nicht an seine anderen Werke.

 

Ich habe „Freiheit“ und jetzt „Unschuld“ ebenfalls gelesen und kann sie nur wärmstens empfehlen. Ich war ähnlich fasziniert wie von den „Korrekturen“.

Okay, super, danke. Das ist dann die Stelle, die ich brauche, um mich da ranzutrauen.

 

Jetzt bist Du schon seit längerer Zeit in der Musikbranche tätig, nun hast Du die Buchbranche kennen gelernt. Wo siehst Du Unterschiede oder Parallelen?

Das erste ist relativ simpel. Hier gibt es noch eine Messe. Ich finde die Buchbranche unaufgeregter. Ich weiß nicht, ob das Loben meines Verlages langsam komisch rüberkommt, aber das sind alles Büchermädchen und Bücherjungs, die ihr Leben lang geschmökert haben, sich mit 20 überlegten, beruflich auch was mit Büchern zu machen, vielleicht Amerikanistik oder Literaturwissenschaft studierten, die sind so schnuffig, das mag ich. Da ist bei Kiwi jetzt eine Empfangsdame mit 65 Jahren in Rente verabschiedet worden, mit Käsebrötchen und einem Fässchen Kölsch, dass das überhaupt noch in einem Job möglich ist, das ist selten. Und irgendwie bewegt mich das. Ich fühle mich hier sehr aufgehoben.

 

Schön, das freut mich. Jetzt passt die nächst Frage nicht so wirklich. Wie der Titel des Romans es bereits impliziert, spielt der Tod eine gewichtige Rolle in Deinem Buch. Hast Du Angst vor dem Tod?

Nee. Nee, habe ich nicht. Die Antwort ist nein. Ich denke nicht darüber nach, aber ich fahre jetzt auch nicht mehr betrunken Fahrrad, die Zeiten sind vorbei.

 

Gibt es denn schon eine Idee für einen weiteren Roman? Oder bist Du wenigstens angefixt, irgendwann mal einen neuen Roman zu schreiben?

Angefixt bin ich auf jeden Fall, eine neue Idee gibt es aber noch nicht. Wir Künstler sind ja schon auch Süchtige, wobei ich nie schreibe, wenn ich was getrunken habe, sondern immer stocknüchtern und verstärke die Nüchternheit sogar mit Kaffee. Aber körperhormonell war das die heftigste Sache, die ich gemacht habe und angefixt ist sicherlich das richtige Wort. Wenn mal wieder eine Idee kommt, dann möchte ich das auf jeden Fall machen.

 

Vielen Dank für das Gespräch.

Sehr gerne. Danke ebenfalls. 

 

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Kommentare

  • <cite class="fn">Mareike</cite>

    Ich find den Mann so unglaublich lässig. Das Zusammentreffen mit ihm am Messe-Mittwoch war eindeutig eines meiner Highlights. Er nimmt sich selbst halt überhaupt nicht ernst. Das wird auch in dem Interview total super deutlich. Schön!
    Liebe Grüße
    Mareike

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