Indiepop-Toptalent: Sängerin CATT im Interview

CATT by Elena Breuer

Catharina Schorling, als Künstlerin kurz und knapp CATT, ist eines der Top-Talente unter Deutschlands jungen Singer-Songwriterinnen. Sounds & Books führte ein vergnügliches Interview mit der 27-Jährigen, die gerade von Berlin nach Weimar in Thüringen umgezogen ist und jetzt ihr zweites Studioalbum „Change“ veröffentlicht.

Interview von Werner Herpell

Vor vier Jahren fiel CATT erstmals einer Menge Popfans auf – im Vorprogramm und in der Band des renommierten Singer-Songwriter-Kollegen Niels Frevert, der übrigens dieses Jahr am selben Tag wie sie, am 24.03.2023, ein neues Album veröffentlicht (Review zu „Pseudopoesie“ folgt). Mitten in der Corona-Pandemie mit all ihren Einschränkungen für Künstler kam, nach der bereits sehr vielversprechenden Debüt-EP „Moon“ (2019), das feine Indie-Folkpop-Studiowerk „Why, Why“ heraus. Jetzt startet die im idyllischen niedersächsischen Wendland aufgewachsene Sängerin und Multiinstrumentalistin (Klavier, Gitarre, Trompete, Posaune) zum zweiten Mal durch. Sounds & Books hat mit der ehemaligen Berliner Musikproduktion-Studentin (27) über ihre aktuelle Platte „Change“, ihr Songwriting und ihre Zukunftspläne gesprochen.

Corona war für CATT „keine verlorene Zeit“

Hallo CATT, wie geht es Dir jetzt so kurz vor der Veröffentlichung Deines zweiten Albums „Change“, das nach der Corona-Pause ja zu einem besonderen Zeitpunkt herauskommt? Dein Debüt „Why, Why“ erschien bekanntlich mitten in der schlimmsten Pandemiephase. Ging dadurch das Momentum als „neue deutsche Pop-Hoffnung“ nicht komplett verloren?  

CATT: Ich glaube, die Frage kann ich zweigleisig beantworten. Ich würde das auf keinen Fall als

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verlorene Zeit beschreiben. Na klar, es gab riesige Herausforderungen und Anstrengungen, weil nichts mehr funktionierte, weil nichts mehr planbar war. Man merkt teilweise erst jetzt so richtig, wie anstrengend das war und wie fertig man ist mit dieser Art zu arbeiten, wenn man immer nur Hürden aus dem Weg räumen muss. Parallel hat mir das aber zum ersten Mal auch Zeit geschenkt, speziell im ersten Lockdown, mein Album fertig produzieren zu können. Es hat mir eine Zäsur verschafft, die ich mir sonst kaum so genommen hätte, weil ich so stark involviert war mit anderen KünstlerInnen.

Diese Zeit hat, sicher nicht nur bei mir, ganz viel Reflexion hervorgerufen, auch bewusste Entscheidungen, wie man leben möchte – selbst wenn man es dann gar nicht konnte (lacht). Daher bin ich flexibler geworden. Man musste ja jede Welle surfen, wie sie gerade kam. Von außen gab es keine Stabilität, also musste man die innen bei sich finden. Das war wie eine Vorrecherche zum nächsten Album.

Dein neues Album heißt „Change“, also „Veränderung“ – ich frage mich natürlich, ob das ein programmatischer Titel ist.  

CATT: Ich versuche es mal mit der Musik zu beantworten. Wenn ich einen Song schreibe, dann ist der immer getriggert durch ein persönliches Erlebnis. Ich kriege Inspirationen für ein Lied, wenn ich selber durch etwas gehe. Aber irgendwann dreht sich das Ding, und ich schreibe nicht mehr nur über mich, sondern tauche in ein Gefühl ein, mit dem sich noch viel mehr Menschen verbinden können. Dann lasse ich den kreativen Flow übernehmen. Ich persönlich bin also ganz viel durch Veränderungen gegangen, sehe aber auch eine verletzte Welt, durch die ganz viele verletzte Menschen laufen. Das soll jetzt nicht kalenderspruchmäßig klingen, aber persönliche Veränderungen und Veränderungen in der Welt – beides habe ich zum Anlass genommen, über das emotionale Spektrum des Menschseins zu erzählen. Dabei sind Songs herausgekommen, die dem Hörer vielleicht ein Zuhause geben können, wenn er selbst durch Veränderung geht.

Über Deine erste Platte „Why, Why“ hast Du mal gesagt: Dieses Album hätte man nicht in der Stadt schreiben können. Es klang tatsächlich ganz naturbelassen und eben gar nicht urban – ein sehr intimes Folkpop-Album. Ist „Change“ nun anders entstanden?  

CATT: Ich tendiere dazu, nie etwas zu wiederholen. Ich finde mich, auch im Leben, ungern in irgendeiner Routine wieder, ich bin von meinem Wesen her gern in Bewegung. Insofern war nach „Why, Why“ klar, dass ich nicht nochmal das Gleiche mache. Es war zwar Pandemie, aber ich war 2021 auch schon ein bisschen mit meiner Band auf Tour – bevor wieder alles dicht gemacht wurde. Ich habe zum ersten Mal gemerkt, welche Power sich da entwickelt. Wir haben eine sehr enge musikalische Bindung und Freundschaft aufgebaut. Danach wusste ich, wir müssen was zusammen machen. Mein Gitarrist Felix Remm und ich haben uns dann im Winter/Frühling 2022 jeden Tag hier mitten in Berlin, an der Spree, getroffen zur musikalischen Konversation. Ich war erstmals offen dafür, jemandem so zu vertrauen und die Gitarre als neues Element reinzulassen. Das folgte keinem Plan, sondern es ging nur darum: Worauf habe ich jetzt Bock, wo muss dieser Song hin?

CATT mag auch Musik zum Tanzen

Mit „Wild Heart“ und „No One Ever Tells You“ gibt es auf dem Album an zentraler Stelle zwei Songs, die uptempo, rockig, sogar tanzbar sind. Hast Du Dich damit bewusst aus einer Komfortzone herausbewegt? Oder hast Du Dich eher dahin treiben lassen?  

CATT: Wahrscheinlich eine Mischung aus beidem. „Why, Why“ war ja nur eine Facette von mir, ich liebe aber ein viel größeres Spektrum an Musik – und auch Musik zum Tanzen. Durch die Live-Tour mit diesen wunderbaren Musikern an meiner Seite hatte ich Lust, sie zu integrieren und einzuladen. Mit Felix zusammen habe  ich dann begonnen, die Songs zu arrangieren. Wir hatten noch einen dritten Co-Produzenten, nämlich Aaron Ahrends, der eher aus der elektronischen Welt kommt, der ganz klar weiß, wo ein Element im Mix stehen kann. Ich hatte Lust auf diese Brillanz und Detailfreude. Allein wenn man Menschen einlädt, die Instrumente spielen, entsteht eine ganz andere Bewegung. Wir waren zu viert im Studio. Ich habe die Sachen eingespielt, die ich auch sonst einspiele, wie die Bläser-Sektion, Klavier und Gesang, dazu kamen ein Schlagzeuger (Michèl Almeida), ein Gitarrist (Felix Remm) und ein Bassist, der auch Geige spielt (Paul Rundel).   

Wie entstehen die Lieder bei Dir ursprünglich – an der Gitarre oder am Klavier? Und was ist zuerst da – die Musik oder der Text?  

CATT: Bei mir entstehen in den meisten Fällen die Lieder am Klavier. Ich singe am Klavier. Was passieren kann, dass ich vorher schon eine Textzeile hatte, die ich irgendwann aufgeschrieben hatte, dann bringe ich die mit. Durch einen persönlichen Impuls geht dann ein Lied los. Bei diesem Album war es erstmals so, genauer gesagt bei „I’m The Wind“, dass ich Songs auf der Gitarre geschrieben habe. Aber am Klavier kann ich mich immer noch am natürlichsten bewegen, das war für mich immer schon da.

Nicht nur „die mit den ruhigen Klavierballaden“

„I’m The Wind“ ist tatsächlich ein Lied, das nur von der Akustikgitarre und Deiner Stimme lebt. „Spell Me Free“ ist dagegen eine zunächst sehr reduzierte, dann immer hymnischer werdende Klavierballade. Stimmt der Eindruck, dass Du dieses neue Album bewusst vielfältig angelegt hast? Um mal so richtig zu zeigen, was Du alles drauf hast?  

CATT: Ja, auf jeden Fall. Ich finde ganz wunderschön, wie „Why, Why“ geworden ist, mit dem damals total richtigen Ausdruck. Aber danach wurde ich als „die mit den ruhigen Klavierballaden“ gesehen. Da fehlt dann noch so viel von mir – die ganze Power, die ganze Lebensfreude, das ganze Gefühl von „Let’s go!“. Ich wollte mit „Change“ mehr Facetten von dem zeigen, was mir Freude macht. Ja, Freude war in dem Moment ganz wichtig. Aber es gab auch tiefen Schmerz. Und nun ist das dabei rausgekommen – ein ganz breites Spektrum an Farben in der Musik und an Gefühlen.  

Zu Deinem Songwriting und zu Deiner Stimme gibt es ehrenvolle Vergleiche, man hört häufiger Joni Mitchell oder Kate Bush, mir fallen auch Aimee Mann oder ganz aktuell Weyes Blood dazu ein. Freust Du Dich darüber – oder ist das eher eine Belastung, von der Du Dich lieber frei machst?  

CATT: Ich finde das nicht schlimm. Ich mache natürlich ganz klar meine eigenen Sachen. Aber ich finde es schön, wenn andere Menschen dazu positive Assoziationen haben. Das bereitet mir keinen Stress. Ich freue mich eher, wenn ich mich in eine Reihe mit so eigenständigen Künstlerinnen stellen darf.

CATT will sich die Freude nicht mehr nehmen lassen

Wie geht es nun weiter? Welche Erwartungen hast Du für dieses Jahr mit dem neuen Album und einer Tournee dazu ab Mitte April? Siehst Du Dich jetzt als Musikerin komplett auf eigenen Beinen, nach den Erfahrungen als Begleiterin von Judith Holofernes, Sarah Connor oder Niels Frevert?  

CATT: Es geht in diesem Jahr tatsächlich so richtig los, auch in anderen Ländern und bei Festivals. Ich freue mich sehr darauf – muss aber jetzt auch wieder lernen, mich auf Livemusik zu freuen und nicht nur an den Organisationsaufwand zu denken. Das will ich mir in diesem Jahr nicht mehr von äußeren Umständen nehmen zu lassen.  

Letzte Frage – zu Deinem Künstlernamen CATT in Großbuchstaben.  

CATT: Seit ich in Berlin bin, werde ich so genannt, anfangs noch als Abkürzung meines Vornamens mit nur einem t. Das doppelte t kam dann als sehr einfache Lösung dazu, um einen eigenständigen, ästhetischen Künstlernamen zu finden – und ohne bei Google eine Million Katzenbilder zu erzeugen.

Das Album „Change“ von CATT erscheint am 24.03.2023 bei Listenrecords/Broken Silence. (Beitragsbild von Elena Breuer)

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