Von Turnstile bis Ed Sheeran, von Adam Angst bis Avril Lavigne. Das Hurricane Festival überzeugt erneut mit einem diversen Line-Up.
Text und Fotos von Bennet Jorre
Wahrscheinlich muss man in einem Bericht über das Hurricane Festival in diesem (wechselhaften) Sommer auf das Wetter eingehen, welches direkt am Festival-Freitag dem Hurricane seinem Namen alle Ehre gemacht hat. Rückblickend auf das gesamte Wochenende war das jedoch recht irrelevant. Regenjacken, Ponchos und Regenhosen an- oder die nassen Schuhe ausgezogen, konnte im Starkregen weitergefeiert werden – und die meisten Schlammgruben waren schon am Samstag getrocknet. So war das Freitagswetter fast vergessen.
Das Einzige, was diesbezüglich auffiel: das Gelände wirkte die ersten Tage recht leer (trotz 75.000 verkaufter Tickets – so gut wie ausverkauft). Nicht so, dass das Festival nicht gut besucht schien, aber leer genug, um selbst Richtung Abend ohne großes Gedränge in der ersten Welle stehen zu können.
Vier Bühnen mit mindestens genauso vielen Genres parallel
Was beim Hurricane Festival immer wieder auffällt, ist das diverse Musikangebot, welches clever auf den Bühnen verteilt wird. Es mag zwar “nur” vier Bühnen geben, jedoch werden unterschiedlichste Bands auf diese Bühnen gestellt. Dadurch wird man fast gezwungen, sich zwischen den vier Bühnen hin und her zu bewegen. So bleibt das Publikum auf dem ganzen Gelände in Bewegung. Das sorgt für den angenehmen Nebeneffekt, dass man theoretisch immer die Chance hätte, in die ersten Reihen zu kommen – ohne sich um 13 Uhr dort hinzustellen, wo man gegen 19 Uhr die Lieblingsband spielen sehen möchte.
Warm Singen mit den Hansemädchen und warm Tanzen mit ITCHY
Bevor das eigentliche Festival beginnt, gibt es jedes Jahr am Donnerstag die sogenannte “Warm-up Party” im weißen Zelt (Wild Coast Stage). Wie die Jahre davor wurde der Abend durch die Hansemädchen eröffnet, wo das Publikum seine Stimmen ölen konnte. Nach diesem “Massenkaraoke” ging es weiter mit Drei Meter Feldweg, die ein solides Set hinlegten, jedoch mit mäßig gutem Sound. Dieser war umso besser bei den darauf folgenden ITCHY. Mit ihrem abwechslungsreichen Punk brachten sie auch den Letzten in der hintersten Reihe dazu, die Gelenke schon für die nächsten Tage warm zu tanzen.
Der Freitag beim Hurricane Festival: Von Post-Punk bis Radio-Pop
Der Freitag überzeugte direkt mit seinem Line-Up und so war die Vorfreude groß. Fontaines D.C. zeigten erneut auf dem Hurricane, wie atmosphärischer Post-Punk klingen muss und IDLES legten direkt nach und noch eine Schippe drauf. Was ein Start! Dann hätte es zu The Kooks weitergehen sollen. Doch setzte der Starkregen die namentlich passende River Stage unter Wasser, sodass das Konzert schweren Herzens abgesagt werden musste. Traurig trottete das Publikum von der Bühne zur Forest Stage – um da von Matt Berninger und The National tröstend in die Arme genommen zu werden. Das Konzert war großartig! So waren das Wetter und die Umstände darum sofort vergessen.
Den Abend komplettierte der Chart-Star Ed Sheeran, der gerade das 10-jährige Bestehen seiner Platte “X” bzw. gesprochen “Multiply” feiert.
Der Samstag beim Hurricane Festival: Von Indie-Rock über Hardcore zur Pop-Ikone
Mit Sonne begrüßte einen der Samstag. Der Matsch war getrocknet oder wurde von Rindenmulch oder Kies überdeckt. So konnte man sich bei The Subways um 13 Uhr zufrieden den ersten Sonnenbrand abholen. Bei Team Scheiße war dieser aber sofort vergessen und nach dem Auftritt hatte nicht nur Sänger Timo Warkus eine angeschlagene Stimme.
Simple Plan lieferte darauf im Vergleich entspannten Rock, bevor es ins Zelt zu Enno Bunger ging, der mit Band sein aktuelles Album „Der beste Verlierer“ präsentierte und dabei sichtlich Spaß hatte, seine neue Lichtshow demonstrieren zu können. Daraufhin spielte Tom Odell inklusive Band. Ein starkes Konzert auf der wieder trockenen River Stage! Als Unterstützung holte er sich Alice Merton und Abigail Morris von The Last Dinner Party auf die Bühne, welche beide vorher gespielt hatten.
Auf der Forest Stage spielten dann The Hives, welche mit ihrer fast aggressiven Performance das Publikum anstachelten, alles aus sich herauszuholen. Nicht nur das Konzert, sondern auch das gebrochene Deutsch des Sängers werden vielen in Erinnerung bleiben. Darauf bekamen Hardcore-Fans mit Turnstile eine Performance präsentiert, die zwar schwach und schweratmig anfing, aber zum Ende hin zu den besten Auftritten des Wochenendes zählte.
Nach Turnstile spielte die Pop-Rock Ikone Avril Lavigne, was aber aufgrund von Sound-Problemen kaum zu hören war…
Sonntag: Ein Fan singt auf der Bühne und Deichkind reitet auf einem Fass durchs Publikum
Der letzte Festivaltag begann mit Missio und The Mysterines. Beide legten solide rockige Shows hin, bevor es zu Deine Cousine aus St. Pauli ging. Mit ihrer Band zeigte sie, wie politischer Rock Spaß machen kann – inklusive Gesangseinlage eines Fans und Massen-Polonaise zum Abschluss! Ähnlich machte es ihr Paula Carolina auf der größeren Bühne nach, die von der Bühnengröße und der ähnlich großen Publikumsmenge im positiven Sinne überrascht wirkte. Adam Angst wirkten da deutlich routinierter und sprachen, genauso wie die anderen davor, wichtige politische Themen musikalisch an. Es war laut, es war toll.
Etwas Entspannung sollte es bei Buntspecht aus Wien geben, welche mit ihren einzigartigen Musikeinflüssen Gypsy-Jazz, Bossa Nova, Wienerlied und Folk geniale Lieder schreiben. Dies ging aber durch schwammigen Sound und Performance leider unter… In Sachen Performance holten einen Feine Sahne Fischfilet jedoch wieder vollends ab und langsam merkte man endlich, wie sich die 75.000 Menschen sammelten. Geprägt von politischen Statements, weinenden Eltern von Sänger Monchi auf der Bühne, Freibier für alle (allen voran für crowdsurfende Rolli-Fahrer), riss die Band aus Vorpommern die Hauptbühne ab.
Nach dem Mittagssnack gab es die quasi aufgelösten Punk-Legenden Sum 41 zu sehen, welche die Melancholie des Publikums perfekt nutzten, um eine ausgelassene Stimmung zu erzeugen. Noch älter auf und voller vor der Bühne wurde es daraufhin mit The Offspring. “Endlich” war es in der ersten Welle so voll, dass durch vorsichtiges Drängeln ein Durchkommen von links nach rechts kaum möglich war. Das Publikum war heiß und das Set hat einfach Spaß gemacht.
„Die Platte von Deichkind war nich‘ so mein Ding
Doch ihre Shows sind (leider geil)“
Bevor es zum krönenden Abschluss zu Bring Me The Horizon ging, folgte (wie erwartet) eine Performance, durch die selbst die von Pyrotechnik geprägte Show der Briten unterging: Deichkind zeigten mal wieder nicht nur, wie man selbst das plattgetretene Gras auf dem Boden durch Basswellen zum Beben bringen kann, sondern auch wie kreativ Bühnen-Performace sein kann. Highlight: Ein riesiges Fass in und auf dem die Band singend und Fahnen schwenkend durch die Menge fuhr. Da passierte so viel, dass man das erst einmal verarbeiten muss. Wow!
Was für ein tolles Wochenende!
Bis nächstes Jahr Hurricane Festival!

































