High South: Peace, Love & Harmony

High South by Jim Shea

Ein hochwertiges, bezauberndes und realitätsfremdes neues Album von High South

„Peace, Love & Harmony“ heißt das neue Album der US-Trios High South. Nach „Now“, noch in Quartettbesetzung (2013), sowie dem selbstbetitelten Nachfolger (2014) erscheint das aktuelle Werk als erstes in der Heimat der Akteure; die früheren Werke gab es dort nur als Import aus dem schon immer sehr country- wie harmonieaffinen Deutschland, in dem High South eine hohe Reputation als Live-Band genießen. Ein Titel, der die Band entweder als Meister der Realitätsflucht oder sarkastische Zyniker ausweist. Letzteres wäre mehr als angebracht, aber nein – sie meinen es ernst und servieren zu Zeiten zunehmender Kleinstaatereien, Abschottungen oder menschenverachtender Gewalt an den Außengrenzen der westlichen Welt sowie in ihrem Inneren eskapistischen Wohlklang mit multiplen Aufforderungen zum berauschenden Rückzug. Geht’s noch, High South?

High South zitieren Sam Cooke

High South Peace Love And Harmony Cover High South Music

Anscheinend. Wir wissen nicht, was die Herren Jamey Garner, Kevin Campos und Phoenix Mendoza reitet, ihren realitätsfernen Optimismus in Zeilen auszuleben wie „there is no them and us“ im Titelsong, in welchem Sam Cookes „A change is gonna come“ zitiert wird mit der praktischen Hoffnung, die durch Hass entstandenen Mauern durch Liebe wieder einzureißen. Hach ja. Und wenn dann doch noch mal Ungemach spürbar wird, in den Interaktionen Liebender etwa, nun – dann kann man sich ja immer noch die Rübe amtlich wegballern, wie es gleich in zwei Songs des Albums beschrieben wird. Dezente Hinweise darauf, dass die von der jüngeren Generation dargebrachten Wünsche nach gesellschaftlicher Veränderung nicht per se abzulehnen sind (in „Change In The Wind“) sind da der Gipfel an Kommentaren zur Zeit, die, laut Interview im aktuellen deutschen Rolling Stone, jedoch ausschließlich „humanistisch“ verstanden werden sollen. Welch ein Luxus, sich aus allem so schön raushalten zu können.

Ein wunderschönes Kleinod von High South

Sollte es allerdings möglich sein, über solche Privilegien hinwegzusehen, dann offenbart sich ein über weite Strecken wunderschönes musikalisches Kleinod, welches es schafft, den spätestens seit den 80er Jahren verpönten Westküstensound wieder aufleben zu lassen; mit sanften Country-Anleihen und vor allem betörendem, mehrstimmigem wie Patchouli-Flair generierendem Harmonie-Gesang. Und dies auf handwerklich extrem hohen Niveau. Das liegt nicht nur an den sich wunderbar ergänzenden Stimmen des Trios, sondern ebenso an dem dezenten Einsatz der Mundharmonika, dem lässigen Gebrauch der Slide-Gitarre und vor allem an den seltenst in die kommerzielle Gleichhaftigkeit rutschenden Stücken, co-verfasst wie produziert vom ehemaligen Tom-Petty-Mitstreiter Stan Lynch.

Ein hochwertiges wie ambivalentes Werk

Des Weiteren tauchen als Mitstreiter Namen auf wie Jim Photoglo (in seiner Vita finden sich Kollaborationen mit Giganten des Genres wie Dan Fogelberg oder der Nitty Gritty Dirt Band) sowie Raúl Malo (Mavericks). Stimmige und frische Songs, die zwar klingen wie von Gestern, mitnichten jedoch altbacken sind – das ist der Vorteil gegenüber den vergangenen Veröffentlichungen unter dem Banner von High South, bei denen diese Maxime nur ansatzweise gelang. Das alles macht „Peace, Love & Harmony“ zu einem hochwertigen, ärgerlichen, bezaubernden, realitätsfernen oder kurz: sehr ambivalenten Werk, welches live mit Sicherheit erst Recht seine Klasse offenbaren wird. Die sehr umfangreiche Deutschland-Tour startet zwei Tage nach der Veröffentlichung im Hamburger Downtown Bluesclub.

„Peace, Love & Harmony“ von High South erscheint am 06.03.2020 bei High South Music / Cargo Records. (Beitragsbild von Jim Shea)

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