Herr Wade: This Is Softcore – Albumreview

Herr Wade Pressefoto

„Irony Is Over“ meint das wunderbare deutsch-norwegische Sophisticated-Pop-Projekt Herr Wade. Wirklich? Auch das neue „Softcore“-Album ist ein großer, oft ironischer Spaß.

von Werner Herpell

Weil er das so unnachahmlich selbstironisch kann, darf sich Sebastian Voss, die treibende Kraft hinter dem Sophisticated-Pop-Projekt Herr Wade und dessen neuem Album „This Is Softcore“, hier mal ausführlich selbst vorstellen: „Seb, von Hause aus Psychiater und Psychotherapeut, lebt im Rahmen seiner Midlife Phase seinen alten Kindheitstraum vom Plattenruhm (Platiruma!!!). Ebenfalls Multiinstrumentalist, wenngleich weniger virtuos, als sein norwegischer Freund, schreibt er kontinuierlich Songs und performt, unter anderem auch wieder live mit seiner Band The Fisherman And His Soul. Am besten ist er an der Blockflöte und an der Oboe. Am liebsten spielt er Bassgitarre und croont dazu. Daneben ist das Label („Liebhaberei“) Platiruma!!! auf seinem Mist gewachsen.“

Pulp und Jarvis Cocker standen Pate

Herr Wade This Is Softcore Albumcover

Wer nun, neugierig geworden, tiefer einsteigt in den Herr-Wade-Kosmos (etwa über die Band-Website), lernt bald auch besagten norwegischen Freund kennen: den Multiinstrumentalisten und Songwriter Jørn O. Åleskjær aus Askim bei Oslo, dessen größter Traum es ist, „einen ESC-Hit zu landen“. Ironie? Bei diesem Duo weiß man nie, andererseits lautet das Motto zur neuen Platte wegen der düsteren Weltlage: „Irony Is Over“ – in Abwandlung einer Songzeile von Pulp aus deren Album „This Is Hardcore“ (1998).

Pulp-Frontmann Jarvis Cocker gehört selbstverständlich zu den aktuellen Inspirationen von Herr Wade – nicht nur wegen der „Irony“-Zeile und des Albumtitels („This Is Softcore – klingelt’s?). Auch der augenzwinkernde, smarte Umgang mit Sprache und die zitierfreudige, auch mal sarkastische Grundhaltung des Sängers sind vergleichbar. Ganz herrlich beispielsweise „Depressiver Fußball in der alten BRD“, eine Abrechnung mit dem eklig abgefeimten Rumpel-Kick der deutschen WM-Nationalmannschaft von 1982 gegen Österreich.

Von NDW bis zu Belle and Sebastian

Musikalisch schöpfen Voss und Åleskjær aus Quellen wie NDW (Andreas Dorau!, Rocko Schamoni!, Spliff!), Yacht-Rock, Blue Eyed Soul, Funk light, Latin und Edel-Britpop der Marke Prefab Sprout, Orange Juice, Belle and Sebastian. „Und wenn mein Buddy Pogo McCartney aus Münster die Musik und den Gesang von Jørn und mir auf „This Is Softcore“ sogar mit Marvin Gaye und Manfred Krug vergleicht, dann… ja, dann werde ich sogleich ein Apfelbäumchen, nein, eine ganze Plantage davon pflanzen und sogleich vergnüglich summen, wie eine fröhliche Biene. Ganz unironisch“, sagt Sebastian Voss über sein neues Werk, das bisher jüngste (und natürlich wie immer beste) in einer langen Reihe von Herr-Wade-Platten. Extrem sympathischer Mann.

Und als hätte der Münsterländer mit dieser Band, seinem derzeitigen Zweitprojekt The Fisherman And His Soul und dem eigenen Label Bureau Platiruma nicht schon genug zu tun, kümmert er sich nun auch noch um die Wiederveröffentlichung älterer „Sünden“.

So kam Im Dezember „Distance Is Necessary“ (2008) von Stars Play Music neu heraus, einer Band von Voss mit dem heutigen Musikjournalisten André Bosse (Gesang, Gitarre) und Sängerin Alexandra Romary. Mitte Februar erschien zudem eine tolle Kompilation des vorherigen Voss/Bosse-Projekts Stars Of Track And Field.

Herr Wade und Vorgänger „frei von Rock ’n‘ Roll“

„Wir spielen diese Songs völlig frei von Rock’n’Roll, den wir lieber verbal vernichten als anpassen. Wir spielen diese Nummern mit viel Gefühl, oft wehmütig, manchmal mit sanfter Euphorie, als würden wir dem Glück nicht trauen, das uns manchmal wie ein scheuer Schmetterling über den Weg läuft“, schreibt Sebastian Voss zu den „Episodes And Postcards (Complete Recordings 1995-2005)“. „

Das funktionierte gut bis Ende 2004. Dann implodierte Stars Of Track And Field in eine andere Gruppe von Stars namens Stars Play Music. Dieses Album vereint alles, was wir in dieser Zeit aufgenommen haben, mit wechselnden Besetzungen und supercoolen Gästen wie den Bläsern des Cool-Jazz-Avantgardisten Lars Vegas. 

Alles, was bleibt, ist diese Platte.“ Das ist eine ganze Menge.

Das Album „This Is Softcore“ von Herr Wade erscheint am 28.02.2025 bei Bureau Platiruma. (Beitragsbild: Pressefoto)

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