„Waldkind“ Helga aus Schweden offeriert auf ihrem Debüt „Wrapped In Mist“ melancholische Klänge zwischen dunklem Art-Pop und aufbäumendem Prog-Metal
von Michael Thieme
Eine ätherische Stimme bezaubert vor heftigem Gitarrengedröhn – der Opener „Skogen Mumlar“ ihres Langspielplatten-Debüts überzeugt Freunde solcher Klänge sofort, der Originalitätsfaktor offenbart sich allerdings nicht augenblicklich. Dabei hat Helga Gabriel, die Vokalistin der Formation, auf Kleinformaten bereits so ansprechend vorgelegt. Ihre EP „The Autumn Lament“ von 2019 und ebenso eine kleine Livedarbietung bei den „Evil Art Sessions“ bot einen Sound in einer Schnittmenge zwischen Sylvaine und Emma Ruth Rundle – noch nicht ganz so raffiniert vielleicht und inhaltlich weniger tief – aber stimmungsvoll wie faszinierend.
Helgas Vokalakrobatik
Die Band um Helga Gabriel, bestehend aus Bass, Schlagzeug sowie zwei Gitarristen, bemüht sich beim Einsteiger-Doppel um einen moderaten Härtegrad, der progressive Symphonic-Metal-Freunde begeistern könnte, wäre sie etwas fordernder. Letztlich verbleibt Helgas Stimme jedoch der dominierende Klang, oft mit Hall versehen – am überzeugendsten begleiten dazu die sanft gespielten Gitarren oder das minimale Black-Metal-Flirren, das den Mittelteil von „Death Comes Now“ verziert. Neben dem Instrumentarium der zahllosen Gäste an Piano, Percussion oder Streichinstrumenten, die bei einer Live-Umsetzung wohl zuhause bleiben müssten. „Farfäl“ offeriert noch mehr Gekeife als Kontrast zu Helgas anmutigem Gesäusel vor elegischen Cello-Klängen – mit Kehlkopfgesang ist sie anscheinend selbst in der Lage, diese Laute zu erzeugen und benötigt dabei keine Hilfe von außerhalb. Der Song offenbart sich als eines der Album-Highlights ob seiner Dynamik sowie seines Ideenreichtums.
Die Schwestern im Geiste
Doch das Album wird insgesamt immer interessanter. „Vast And Wild“ vereint folkloristisches Tapping mit Trap-Sounds, Berührungsängste mit Pop gibt es also ebenso wenig. Das klingt homogen wie eigen, im Gegensatz zur Singleveröffentlichung, die Helgas Alleinstellungsmerkmal leider unterdrückt. Veröffentlichungspolitik, wer versteht sowas schon. „Som En Trumma“ setzt noch einen drauf und würde auch auf einer Platte von Myrkur begeistern – der dänischen Schwester im Geiste, vielleicht. Die würde allerdings nicht so einen amtlichen Post-Rock kredenzen, wie er im Titelsong am Ende des Albums zu hören ist – sowas kann man eher auf einem Album von A.A.Williams erwarten.
Alles tolle Referenzen, hinter denen sich sich Helga und ihre Band nicht zu verstecken brauchen. Sehr feines Album, jahreszeit-technisch gerade besonders passend.
„Wrapped In Mist“ von Helga erscheint am 24.11.2023 bei Season Of Mist. (Beitragsbild von Ester Segarra)