Ein wiederentdeckter, schelmenhafter Antikriegsroman
von Gérard Otremba
Er hatte Glück, der Schlump. Eigentlich heißt der Schlump Emil Schulz mit bürgerlichen Namen. Nach einem Lausbubenstreich in jungen Jahren ward er von einem Schutzmann mit den Worten „Du Schlump!“ getadelt, fortan hieß und blieb er einfach Schlump. Und wer sich wie ein Schelm dieses negativ konnotierten, und trotzdem irgendwie liebevollen (Schimpf-)Namens bedient, der zieht auch, wie so viele junge Menschen seiner Generation, euphorisch, jugendlich unbekümmert und leicht naiv in den ersten Weltkrieg. Doch das Schicksal meint es zunächst gut mit unserem Romanhelden. Mit 17 Jahren landet er in Frankreich und verbringt die erste Zeit in der Kommandantur eines Dorfes, von wo aus er die Gemeinde leitet, skurrile und witzige Abenteuer erlebt und mit den französischen Damen poussiert. Das Kriegsgrollen dringt nur aus der Ferne bis zu Schlump. Sehr bald jedoch ändert sich diese Situation auch für Schlump, er erlebt die Kriegsgräuel aus nächster Nähe, entgeht dem Tod, erleidet Verwundungen, richtet sich sein Leben zwischen Lazarett, Heimatbesuch und Front ein. Und auf einen Glücksritter wie Schlump wartet am Ende auch ein privates Happy End.
Das schwierige Leben des Hans Herbert Grimm
Schlump. Geschichten und Abenteuer aus dem Leben des unbekannten Musketiers Emil Schulz, genannt „Schlump“, von ihm selbst erzählt, erschien 1928 bei Kurt Wolff und stand fortan im Schatten des parallel publizierten Anti-Kriegsromans „Im Westen nichts Neues“ von Erich Maria Remarque. Aus Angst seine Lehrerstellung zu verlieren, veröffentlichte der im thüringischen Altenburg lebende Hans Herbert Grimm seinen Roman unter dem Pseudonym Emil Schulz (Schlump). Da sein Schlump vollkommen zu Recht als franzosenfreundlich, pazifistisch und europäisch eingestuft worden ist, gelangte er 1933 auf die Liste der verbrannten Bücher der Nationalsozialisten. Um seine Heimat nicht verlassen zu müssen und weiter seinem Lehrerberuf nachgehen zu können, trat Grimm trotz seiner antifaschistischen Überzeugung in die NSDAP ein und fand sich 1942 im nächsten Krieg als Übersetzer an der Westfront wieder. Die NSDAP-Mitgliedschaft wurde Hans Herbert Grimm nach dem Krieg zum Verhängnis, seinen geliebten Lehrerberuf konnte Grimm im Osten Deutschlands nicht mehr ausüben, das Gastspiel als Dramaturg am Theater blieb eine kurze Episode in seinem Leben, dem er im Sommer 1950 mit seinem Freitod ein Ende setzte. Sehr lange blieb dieser sowohl rigorose, nachdrückliche und erschütternde, als auch optimistische und mit heiteren, schlawinerartigen Passagen versehene Roman verschollen. Allein Literaturkritiker und Autor Volker Weidermann, dessen fundierter und wunderbar zu lesende Bericht aus der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung als Nachwort angehängt ist, verdanken wir die Wiederentdeckung von Schlump. Ein Roman, den man gelesen haben sollte.
Hans Herbert Grimm: „Schlump“, Kiepenheuer & Witsch, Hardcover, 978-3-462-04609-0, 19,99 €.