In vier Bänden erscheinen nun in chronologischer Reihenfolge sämtliche Schriften der großen Denkerin. In Band 1 ist zu lesen, wie schon die junge Hannah Arendt den Grundstein für ihre späteren Werke legt.
von Sebastian Meißner
Geboren 1906 in Hannover, entwickelte Hannah Arendt früh ein ausgeprägtes Interesse an politischen Ideen und gesellschaftlichen Bewegungen. Ihr Frühwerk zeichnet sich durch eine kritische Analyse der totalitären Herrschaft, der Natur der Macht und der Bedeutung von Freiheit und Verantwortung aus.
Die Bedeutung von Liebe und Vergebung
Schon in ihren ersten Schriften, wie zum Beispiel „Der Liebesbegriff bei Augustin“ (1929), zeigte sich Arendts Fähigkeit zur tiefgründigen philosophischen Reflexion. Diese Arbeit sollte den Grundstein für ihr späteres Werk legen, indem sie die Komplexität menschlicher Beziehungen und die Bedeutung von Liebe und Vergebung untersuchte. Arendts Frühwerk spiegelt auch ihre enge Verbindung zur jüdischen Tradition wider. Als Jüdin reflektierte sie frühzeitig über die Bedeutung von Identität, Exil und Heimatlosigkeit. Insgesamt zeigt das Frühwerk von Hannah Arendt eine erstaunliche Bandbreite an intellektuellen Interessen und eine außergewöhnliche Fähigkeit zur Analyse und Reflexion.
Hannah Arendt im Pariser Exil
In vier Bänden werden nun erstmals sämtliche Schriften von Hannah Arendt – darunter Aufsätze, Zeitungsartikel und andere Werke, die auf Deutsch verfasst wurden oder zu Lebzeiten ins Deutsche übersetzt wurden – in einer chronologischen und vollständigen Edition veröffentlicht. Der erste Band umfasst alle Einzelschriften von 1930 bis 1941 aus ihrer ersten Zeit als Publizistin sowie die ersten fünf Jahre im Pariser Exil. Darunter befinden sich zahlreiche Artikel und Rezensionen, die zum ersten Mal seit ihrer Veröffentlichung wieder abgedruckt wurden. Die von Thomas Meyer herausgegebene Studienausgabe umfasst somit sämtliche deutschen Arbeiten von Hannah Arendt. Jeder Band wird von verschiedenen Expert:innen mit einem ausführlichen Nachwort versehen sein.
Es ist erstaunlich zu lesen, dass schon in ihren ersten Texten das gesamte Repertoire ihrer späteren Arbeiten angelegt ist. Arendt zeigt sich bestechend klare Denkerin, als schonungslose Analytikerin und als fest in der deutschen Denktradition verwurzelt – und zwar argumentativ wie terminologisch. Diese kurzen, mitunter erstaunlich launigen Texte komplettieren damit das Werk dieser einflussreichen Theoretikerin.
Hannah Arendt: „Vorträge und Aufsätze 1930-1938“, Piper, herausgegeben von Thomas Meyer, kartoniert, 355 Seiten, 978-3-492-31839-6, 18 Euro. (Beitragsbild: Buchcover)