Mit seinen monumentalen Vocals macht Hamish Hawk schon länger Eindruck. Dass er auch als Songwriter immer stärker wird, beweist das neue Album „A Firmer Hand“.
von Werner Herpell
Was für eine Stimme. Tief und doch flexibel, mit allen Nuancen zwischen eisiger Kälte und empathischer Wärme, kraftvoll und sensibel zugleich. Hamish Hawk weiß schon, warum er sich im Opener seines neuen Albums „A Firmer Hand“ ganz auf diesen monumentalen Bariton-Gesang verlässt, den Vocals von „Juliet As Epithet“ also nur wenig instrumentale Unterstützung zur Seite stellt. „Das ist einer der wenigen Songs, mit denen ich wirklich total glücklich bin. Ich würde nichts daran ändern. (…) Es ist ein großartiges Gefühl, diesen Song zu hören und jeden einzelnen Teil zu genießen“, sagt Hawk im Interview mit Sounds & Books. Recht hat er.
Von düster-erotisch bis Dancefloor
Das Schöne an „A Firmer Hand“ ist nun, dass der Brite aus Edinburgh mit dem famosen Einstiegssong sein Pulver noch lange nicht verschossen hat. „Machiavellis’s Room“ oszilliert zwischen Piano-Pop und Art-Rock, als wenn Scott Walker, David Bowie und Jarvis Cocker (Pulp) gemeinsame Sache gemacht hätten. Dieses Lied sei „das lüsterne, animalische, dunkle Herz des Albums“, sagt Hamish Hawk. Und so düster-erotisch klingt es dann auch tatsächlich. Mit dem Electro-Funk-Pop von „Big Cat Tattoos“, das an die besten Heaven-17-Zeiten von „The Luxury Gap“ oder an New Order in den 1980ern erinnert, entert der Schotte elegant den Indie-Dancefloor.
Und so geht’s immer weiter mit toll produzierten Tracks, die den Horizont der starken Hawk-Vorgängeralben „Heavy Elevator“ und „Angel Numbers“ nochmals erweitern. Stagnation, nicht mal eine auf hohem Niveau, kann man diesem Singer-Songwriter wirklich nicht vorwerfen. Angesprochen auf die Unterschiedlichkeit seiner Platten seit dem Debüt „Aznavour“ von 2014, sagt Hawk: „Ich schätze, ich bin ziemlich leicht zu langweilen. Und wenn es um Formeln in der Musik geht, oder zumindest in meiner eigenen Musik, finde ich sie ermüdend. (…) Wenn ich eine Veränderung spüre, gehe ich mit – falls ich den Mut dazu aufbringe.“
Ein überwiegend opulentes Album
Dass er auch als „Troubadour mit der Akustikgitarre in der Hand“ (Interview-Zitat Hamish Hawk) eine gute Figur macht, bewies der 32-Jährige erst kürzlich im Vorprogramm grandioser Villagers-Konzerte in Hamburg und Berlin. „A Firmer Hand“ ist nun eine wesentlich opulentere Angelegenheit, mit teils wuchtigen, eingängigen Indie-Rock-Songs wie „Nancy Dearest“, „You Can Film Me“ oder dem an bessere Morrissey-Zeiten erinnernden „Men Like Wire“. Aber auch die zarte, verletzliche Seite von Hamish Hawk bekommt noch genügend Raum, etwa im Piano-Stück „Christopher St.“ oder im prachtvollen Closer „The Hard Won“ („eine Art Entschuldigung an die Objekte meiner Zuneigung in früheren Alben“).
Und stets bleiben seine Vocals, die neben den oben bereits erwähnten auch Nuancen von Neil Hannon (The Divine Comedy) oder Nick Cave aufweisen („Jeder dieser Vergleiche ist ein riesiges Kompliment“), absolut unfehlbar. „Um ehrlich zu sein, habe ich erst in den letzten ein oder zwei Jahren meine Stimme als Sänger so richtig entdeckt. Es mag ein wenig lächerlich klingen, aber ich habe mich nie als Sänger betrachtet, sondern immer als Songschreiber oder Texter“, so Hawk, fast selbst ein wenig überrascht. „Ich bin immer noch dabei, mich mit der Tatsache anzufreunden, dass die Leute den Klang meiner Gesangsstimme tatsächlich mögen.“
Hamish Hawk gelingt ein großer Wurf
„Dies sei „das freizügigste, schmerzhafteste und lyrisch dichteste Album, das ich je aufgenommen habe“, sagt Hamish Hawk und gibt zu: „Es fällt mir schwer, es anzuhören, denn es ist, als würde ich alte Tagebucheinträge überfliegen. Sagen wir einfach, ich bin froh, dass die Tage, die mich zu diesen Einträgen inspiriert haben, schon lange vorbei sind.“ Wir Hörer können nun froh sein, an dieser zu einer meisterhaften Platte führenden Entwicklung nachträglich teilzuhaben. „A Firmer Hand“ ist ein großer Wurf.
Das Album „A Firmer Hand“ von Hamish Hawk erscheint am 16.08.2024 bei So Recordings. (Beitragsbild von Michaela Simpson)