Origineller Rock’n’Roll und R&B aus Wien
von Gérard Otremba
Wer sich einen solch außergewöhnlichen, sperrigen und kaum zu merkenden Bandnamen zulegt, einen kryptische-metaphorischen Plattentitel ausdenkt und darüber hinaus mit origineller Musik besticht, hat bei Pop-Polit schon gewonnen. Natürlich entstammt Hacklerberry Pi nicht dem Phantasiereich, sondern der Mischung aus Huckleberry Finn und Chuck Berry, beides Jugendhelden des Wiener Sängers und Gitarristen Patrick Nicklos, der auf den Spitzamen „Pi“ hört. Die Faulen Kompromisse wiederum ist eine Ansammlung von lose wechselnden Musikern, die zum Freundeskreis von Nicklos gehören. Außerdem wird in Wien der Arbeiter als „Hackler“ bezeichnet, wie Patrick Nicklos dem Kollegen von Soundkartell mitteilte.
Und ein „Lieferwagen voller Mausefallen“ bedeutet nichts anderes als eine Platte voller Lieder. Zehn davon findet man auf eben jenem Debütalbum, eine exaltierte bis lustige Mixtur aus Rock’n’Roll, Blues, Soul, Pop und R&B, die manchmal sogar als eine österreichische Antwort auf die Basement Tapes von Bob Dylan & The Band verstanden werden kann. Beim forschen Auftakt „Die Jungs aus meiner Gang“ bedienen sich die Herren frech und frei bei Solomon Burkes „Everybody Needs Somebody To Love“ in der Version der Blues Brothers und finden auch noch den Dreh, um in Bob Dylans „Stuck Inside The Mobile With The Memphis Blues Again“ zu landen. Im flotten „Downtown“ knallen einem die Gitarrenlicks aus Dylans Blonde On Blonde-Phase entgegen und „(Her mit der) Marie“ findet das fehlende Glied in der Kette zwischen Dylan und dem jungen Marius Müller-Westernhagen, Harp-Solo inklusive. Der witzige Shuffle „Alter brauner Schuh“ hat die Ironie diverser Lassie Singers-Songs und enthält die Referenzzeile „Ich hab dich flussauf- und abwärts gesucht“, Rio Reiser-Fans merken auf.
Ähnlich wie die nachfolgende Ballade „Drehst Dich“ behält sich „Alter brauner Schuh“ eine sympathische windschiefe Ursprünglichkeit. Ein anfänglicher Rap wird bei „Pfandhaus Kuckucksuhr“ schnell in den Indie-Americana-Pop überführt, als ob The Felice Brothers mit den Avett Brothers Party feierten. Das melancholische, Orgel dominierte „Paperthin Hotel“ wiederum so eine überaus gelungen Dylan & The Band-Adaption mit eigenen Ideen. Zum Piano-Gitarren-Blues-Roll finden Hacklerberry Pi & Die Faulen Kompromisse bei „Trübe Tage, Müde Augen“ und einen schönen Wiener Schmäh liefert sie uns mit „Wie man’s macht, macht man’s verkehrt“, bevor der Longplayer mit der Chuck Berry-Bob Dylan-Rock’n’Roll-Verbeugung „Gib acht, Gmunden“ endet. Eine ziemlich abgefahrene, lustige, jederzeit unterhaltsame und hörenswerte Platte ist Ein Lieferwagen voller Mausefallen geworden.
„Ein Lieferwagen voller Mausefallen“ von Hacklerberry Pi & Die Faulen Kompromisse ist im September 2013 beim Lied-Gut Label erschienen.
Musik, Bandname, Albumtitel – wunderbar ! ;-)))