Giorgio Fontana: Tod eines glücklichen Menschen – Roman

Giorgio Fontanas nachhallender Roman über die terroristischen Jahre Italiens

von Gérard Otremba

Der italienische Autor Giorgio Fontana siedelt seinen neuen Roman Tod eines glücklichen Menschen in seinem Geburtsjahr 1981 an. Es sind die bleiernen Jahre Italiens, die Roten Brigaden stehen in einem bewaffneten Kampf gegen einen ihrer Ansicht nach faschistischen Staat. Nun war Italien nicht ganz lupenrein zu dieser Zeit, stellte es sich doch heraus, dass neofaschistische Gruppierungen mit dem italienischen Militärdienst paktierten und für diverse Anschläge verantwortlich waren, für die zunächst die Rotbrigadisten verdächtigt gemacht worden sind, wie das Bombenattentat am Hauptbahnhof von Bologna im Jahre 1980.

Zu Beginn von Fontanas Roman steht der Mord an einem rechtspopulistischen Politiker der Christdemokraten. Der 37-jährige Staatsanwalt Giacomo Colnaghi ermittelt gegen die linken Terroristen und im Gegensatz zu allen anderen möchte der katholisch geprägte Colnaghi die Vorgehens- und Denkweise der Attentäter verstehen. Folgerichtig verwickelt er nach dessen Verhaftung den erst 22-jährigen Terroristen Gianni Meraviglia in ein Gespräch unter vier Augen. Im Verlauf dieses Wortgefechtes beruft sich Meraviglia auf den Widerstandskampf im Zweiten Weltkrieg, was Colnaghi bitter aufstößt, gehörte doch sein Vater dem Partisanenkampf an und wurde von Mussolinis Faschisten umgebracht.

Giacomo Colnaghi war viel zu jung, um sich an seinen Vater erinnern zu können. Für ihn bleibt Papa Ernesto ein Held, während andere Familienmitglieder weniger gut auf den Kampf seines Vaters, der sich weitestgehend auf Sabotageakte beschränkte, zu sprechen sind. Giorgio Fontana erzählt die Geschichte von Ernesto Colnaghi der Jahre 1943/44 in Zwischenkapiteln und stellt geschickt beide Handlungsstränge gegenüber. Sowohl Ernesto mit seinem Widerstandkampf, als auch Giacomo mit seiner Arbeit als Staatsanwalt müssen sich ihren Familien gegenüber verantworten, schließlich begibt sich Giacomo Colnaghi in die Gefahr, ins Kreuzfeuer der Terroristen zu geraten, und gleichzeitig die große Frage der Moral stellen. Denn um die Frage nach der moralischen Legitimation des Tötens kreist Fontanas klug konstruierter Gesellschaftsroman.

Rechtfertigt der Partisanenkampf gegen Faschisten im Zweiten Weltkrieg das Töten von Menschen? Gibt es die höhere Sache, der man dient, die Menschenleben kostet? Gibt es die Gerechtigkeit der Unterdrückten, die zum Tode der Unterdrücker führt? Sind Worte ohne Taten wirklich nichts wert? Oder ist alles nur eine Aneinanderreihung von Rache? Sowohl Colnaghi, als auch Meraviglia stehen jeweils in ihrer Art für Gerechtigkeit und schlagen dabei doch so extrem verschiedene Wege ein. Ohne zu moralisieren, hat Giorgio Fontana mit seinem neuen Werk Tod eines glücklichen Menschen (sein zweites nach dem Debüt Im Namen der Gerechtigkeit) einen detailliert recherchierten, nah an der Realität spielenden Roman geschrieben, der die jüngere Vergangenheit Italiens aufarbeitet und zwischen Geschichte und Philosophie changiert. Ein Roman, der in Erinnerung bleibt.

Giorgio Fontana: „Tod eines glücklichen Menschen“, aus dem Italienischen von Karin Krieger, Verlag Nagel & Kimche, 978-3-312-00664-9, 19,90 €.

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