Die Musik von Gina Été entführt in eine surreale Klangwelt – poetisch, verstörend und fesselnd, wie ein Gemälde von Salvador Dalí zum Hören.
von Mia Lada-Klein
Gina Été veröffentlicht mit „Prosopagnosia“ ihr zweites Album und beweist erneut, dass sie sich musikalisch nicht in einfache Kategorien einordnen lässt. Die Schweizer Musikerin und Songwriterin hat mit ihrem einzigartigen Stil des Hybrid Chamber Pop eine Klangwelt geschaffen, die sich von gängigen Mainstream-Veröffentlichungen abhebt. Ihre Musik verbindet kammermusikalische Arrangements mit modernen, elektronischen Elementen und gesellschaftskritischen Texten – eine Mischung, die fordernd und zugleich faszinierend ist.
Gina Été und ihre Eigenheiten
Bereits der Opener „Prolog – This Mess I’m In“ gibt eine klare Richtung vor. Zarter Gesang trifft auf chorähnliche Background-Vocals, während sanfte elektronische Klänge das Fundament bilden. Die sphärische Atmosphäre erinnert entfernt an eine gezähmte, aber nicht minder fesselnde Version von Björk. Mit „Love To Work“ verstärkt sich der elektronische Einfluss, während Streicher für zusätzliche Tiefe sorgen. Gina Étés Musik hat etwas Traumhaftes – man muss sich ihr öffnen, um sich von ihr tragen zu lassen.
Diese Gratwanderung zwischen Pop, Klassik und Elektronik zieht sich konsequent durch das Album. Sprachlich wechselt Gina Été zwischen Englisch und Französisch, was das Zuhören für Textliebhaber herausfordernd macht, aber hervorragend mit den musikalischen Arrangements harmoniert. Zudem sind Gina Étés Texte ein integraler Bestandteil ihrer musikalischen Identität und reflektieren Themen wie Körperlichkeit, Weiblichkeit und Menschsein. Auch bei dieser Themenwahl bleibt sie bewusst unkonventionell, geht über oberflächliche Mainstream-Denkweisen hinaus und fordert heraus, sich mit tiefgründigen, gesellschaftlichen Fragestellungen auseinanderzusetzen. Ihre Musik spiegelt die komplexe Vielschichtigkeit der Welt wider – eine Aufforderung, über das Gewöhnliche hinauszublicken, sowohl textlich als auch klanglich.
Der Song, der bleibt
Ein herausragender Moment des Albums ist „Your Opinion“, ein Track mit subtiler Ohrwurmqualität, der zum Lauschen und Hineinfühlen einlädt. Besonders spannend ist, dass derselbe Song als „Interlude – Your Opinion“ in veränderter Form erneut auftaucht. Die verzerrten Stimmen im Interlude verleihen dem bereits bekannten Motiv eine neue, fast surreale Dimension.
Ein surrealer Spaziergang durch eine Klangwelt
Gina Étés Musik gleicht einem Spaziergang durch eine Fantasiewelt – mal anmutig, mal verstörend, aber stets fesselnd. Es ist, als würde man für einen Moment in ein surrealistisches Gemälde von Salvador Dalí eintauchen, das sowohl irritiert als auch fasziniert. „Prosopagnosia“ ist ein Album, das sich Zeit nimmt und diese auch von seinen Hörern verlangt. Wer sich darauf einlässt, wird mit einer außergewöhnlichen Klanglandschaft belohnt, die weit über konventionelle Hörgewohnheiten hinausgeht.
Das Album „Prosopagnosia“ von Gina Été erscheint am 7.Februar 2025 via Backseat. (Beitragsbild Niclas Weber)