Gerhard Falkner: Romeo oder Julia – Roman

 

Ein moderner Schauerroman und eine Literaturbetriebsfarce

Gerhard Falkner wird den Deutschen Buchpreis demnächst hoffentlich noch gewinnen. Er nähert sich diesem Ziel an. Mit seinem fabelhaften Debütroman Apollokalypse stand Falkner 2016 bereits auf der Longlist, sorgte für kontroverse Diskurse und belegte in der Rubrik Bücher des Jahres einen ausgezeichneten dritten Platz bei Sounds & Books. Romeo oder Julia, Gerhard Falkners nur ein Jahr nach Apollokalypse veröffentlichter Roman fand sich gar auf der Shortlist des diesjährigen Deutschen Buchpreises wieder, der Sieg ging dann jedoch an Die Hauptstadt von Robert Menasse. Im Vergleich zum aufsehenerregenden Prosadebüt wirkt Romeo & Julia zwar wie ein literarischer Schnellschuss, aber einer, mit dem man sehr gut leben kann.

Sounds & Books_Gerhard Falkner_Romeo oder Julia_CoverDer Schriftsteller Kurt Prinzhorn findet in der Badewanne seines Innsbrucker Hotels, wo er während einer Tagung gastiert, schwarze Haare, die definitiv ohne sein Wissen dorthin gelangten und auf die er mit empörten Erschrecken reagiert. In den nächsten, von skeptischen Polizeiermittlungen begleiteten Tagen fällt dem eitlen und egozentrischen Womenizer noch das Verschwinden seines großen Schlüsselbundes und eines wichtigen Notizheftes auf. In Moskau und Madrid, wohin ihn weitere Literatureinladungen führen, gerät Prinzhorn ebenfalls in mysteriöse Vorfälle, die den Schluss eines Stalkings nahelegen. In der Tat wird der narzisstische Autor von einer ehemaligen, nunmehr rachsüchtigen Geliebten verfolgt, doch begreift Kurt Prinzhorn die Verbindungen zu seiner Vergangenheit, die in tiefe Abgründe blicken lässt, sehr spät.

Gerhard Falkners Protagonist und Ich-Erzähler ist ein arroganter, chauvinistischer Lebemann mit einem sarkastischen Blick auf den Kulturbetrieb: „Da geht sie dann, jedenfalls mir gegenüber, wahrscheinlich, weil das Thema da naheliegt, diesem ganzen abgestandenen Goethe-Institut-Mief auf den Leim, was angeblich deutsche Kultur ist: diesem völlig verfassbinderten Blick auf die alte Bundesrepublik, diesem vergreisten Geliebäugel mit den Einstürzenden Neubauten und neuerdings dem Kindergartengetöse der Open Mikes du Poetry Slams. Plus natürlich dem öden, kanonischen Kino-Mix des sogenannten Neuen Deutschen Films, mit dessen Langweiligkeit die wehrlose Jugend der Welt, die sich noch für Deutsch interessiert, imprägniert und drangsaliert wird.“ Prinzhorn ist eine polarisierende Hauptfigur, die nicht alle Leser sympathisch finden werden, doch macht dies auch den Reiz dieses Romans aus.

Darüber hinaus verwebt der als Lyriker bekannt gewordene Falkner geschickt Mystery- und Krimimotive in sein um die monumentalen Themen Eros und Thanatos kreisendes neues Prosawerk. Ein moderner Schauerroman, der vor  Anspielungen und Zitaten aus Literatur, Film, Musik und anderen kulturellen Bereichen nur so strotzt. Romeo oder Julia ist ein hervorragend komponierter Roman, stilistisch, wie von Falkner gewohnt, in bester Qualität geschrieben, der sich höchst unterhaltsam als Literaturbetriebsfarce liest, dem allerdings der überwältigende avantgardistische Furor von Apollokalypse fehlt. Aber mit dem nächsten Roman gewinnt Gerhard Falkner dann den Deutschen Buchpreis.

Gerhard Falkner: „Romeo oder Julia“, Berlin Verlag, Hardcover, 272 Seiten, 978-3-8270-1358-3, 22 €.

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