Gérard bloggt: Mein Hamburg-Marathon 2023

Keine Bestzeit, aber glücklich und gesund ins Ziel gekommen: Der Hamburg-Marathon 2023 war ein überwältigendes Erlebnis

Normalerweise habe ich durch die redaktionelle Arbeit für Sounds & Books keine Zeit für Blogbeiträge, aber ganz gelegentlich muss man sich auch als Journalist mal vom Alltag befreien. Bevor es also mit den nächsten Musik- und Buchrezensionen weitergeht, noch ein paar Impressionen vom Hamburg-Marathon 2023. So gut es meine knapp bemessene freie Zeit es zulässt, verbringe ich einen Großteil dieser mit dem Laufen. Der Hamburg-Marathon ist seit geraumer Zeit ein für mich gesetzter Termin. Am 23.04.2023 nahm ich zum insgesamt zwölften Mal an einem Marathon teil, zum siebten Mal startete ich davon in meiner Wahlheimat Hamburg.

Die Wintervorbereitung auf den Hamburg-Marathon 2023

Im Prinzip trainiere ich viel lieber im Sommer bei angenehm warmen Temperaturen, aber der Frühjahrsmarathon in Hamburg verlangt eine Vorbereitung im meist trüben, dunklen und viel zu kalten mitteleuropäischen Winter. Längst habe ich mich zwar irgendwie an diese widrigen äußeren Bedingungen beim Training gewöhnt, aber schöner ist es, bei 20 Grad zu laufen, statt bei 2 Grad. Seit nunmehr zehn Jahren bin ich Mitglied des Hamburger Sportclubs, dementsprechend auch Mitglied des Deutschen Leichtathletikverbandes und startberechtigt bei Meisterschaftsläufen. Trifft sich als gut, dass die Hamburger Marathon-Meisterschaften immer im April beim Hamburg-Marathon ausgetragen werden. Ein schönes Ziel also für die winterliche Vorbereitung.

Hamburg-Marathon 2023 Gérard Otremba credit Michael Hesse

Die verlief soweit ganz gut. Bei den Intervallen auf den Mitteldistanzen konnte ich die guten Zeiten des Vorjahres zwar nicht annähernd erreichen, meine Leistungen während der Bramfelder Winterlaufserie, die ich für schnellere GA2-Läufe nutzte, waren indes sehr gut und stimmten mich hoffnungsfroh, meine Bestzeit aus Berlin 2017 (3:09:43) angreifen und mich der ominösen 3-Stunde-Marke wieder etwas weiter nähern zu können.

Die Fersenverletzung

Im März jedoch machte sich ein Druckschmerz an der rechten Ferse bemerkbar, der zwar während des Trainings Ruhe gab, aber drei Wochen vor dem Marathon mit voller Wucht durchbrach, ich mich einige Tage nur humpelnd fortbewegen konnte und eine ganze Woche auf das Lauftraining verzichten musste. Dummerweise die letzte ganz wichtige Woche mit einem abschließenden Long Run über 35 Kilometer ging mir durch die Lappen. Mein Start war damals arg gefährdet, doch mit Physiobehandlung und Medikamenten konnte die Entzündung soweit eingedämmt werden, dass ich am Sonntag mit dem Rad zum Start am Messegelände fahren konnte. Unter diesen Voraussetzungen war an eine Bestzeit nicht mehr zu denken, ich wollte halbwegs schmerzfrei durch den Marathon kommen.

Hamburg-Marathon 2023 Gérard Otremba Landungsbrücken credit Peter Rasmus

Auf den ersten paar Kilometern merkte ich zwar noch leichte Beschwerden, aber nichts Bedrohliches. Im Verlauf des Marathons verschwanden auch diese und tauchten erst am Ende zu den letzten 4-5 KM wieder auf. Da hatte ich dann allerdings schon ganz andere Probleme. Zu Beginn brachten mich meine Uhr, respektive das GPS völlig durcheinander. Wie üblich lief ich mich in der Halle für die Kleiderbeutelabgabe warm, dann schnell noch kurz vor knapp für kleine Läufer und joggte erst zwei Minuten vor dem Start in den Block A, der nicht nur für die ganz schnellen unter uns reserviert ist, sondern auch für Meisterschaftsläufer, da in die Meisterschaftswertungen nur die Bruttozeiten einfließen. So war mein GPS wohl noch nicht ganz bei der Sache, als es um 9.30 Uhr losging.

Die erste Halbzeit beim Hamburg-Marathon 2023

Den ersten Km zeigte mir meine Uhr mit 5:13 an und ließ mich an meiner Form doch arg zweifeln. Mein gelaufenes Tempo fühlte sich nämlich entschieden schneller an. Diese Dysbalance zwischen Empfindung und falscher Uhrwahrheit ging erst mal so weiter und löste sich bei KM 4 auf, wo ich mit knapp über 18 Minuten durchging, meine Uhr mir aber nur 3,4 gelaufene Km anzeigte. Ich war also, wie gefühlt, deutlich schneller, zu diesem Zeitpunkt war die Bestzeit sogar noch in Reichweite. Auch bei KM 10 (45:31) lag sie noch im Bereich des Möglichen, bei Halbzeit (1:37:42) indes nicht mehr.

Ich wollte ursprünglich der Ferse wegen wesentlich defensiver angehen, da diese sich aber ordentlich verhielt und ich 13 Wochen lang durchaus auf eine Bestzeit hin trainierte, kann ich mir prinzipiell nicht vorwerfen, ich sei zu schnell angegangen. Ich merkte jedoch relativ frühzeitig, dass das angeschlagene Tempo für den ganzen Marathon zu schnell war.

Die letzten Kilometer

Offensichtlich hat mich die Verletzung wiewohl auch die kleine Trainingspause deutlicher aus dem Konzept gebracht als gedacht. So passte ich mich den Umständen, also der nicht so guten Form, an und lief die zweite Hälfte wesentlich langsamer. Davon dann gut eineinhalb Stunden bei Sonnenschein und mehr als frühlingshaften Temperaturen. Das war dann des Guten zu viel und ließ mich auf den letzten Kilometern noch langsamer werden. Getragen von der phantastischen Stimmung kämpfte ich mich mit einer 3:25:06 ins Ziel. Die letzten 10-15 KM musste ich hart mit mir ringen, nicht aufzugeben. Der Leistungsabfall war zwar nicht so krass wie in den letzten beiden Jahren, als ich jeweils ab circa Km 30 stark nachließ, aber auf den letzten Kilometern schleppte ich mich nur noch mit letzter Kraft ins Ziel. Das kenne ich durchaus anders.

Hamburg-Marathon 2023 Gerard Otremba km38 credit Oliver Schwarz

Großartige Stimmung bei Hamburg-Marathon 2023

3:25:06 ist definitiv nicht die Zeit, für die ich trainiert habe, irgendwas zwischen 3:15 und 3:20 wäre schon schön gewesen. Reichte immerhin für den 6. Platz (von 13 Teilnehmern) meiner Altersklasse bei den Hamburger Meisterschaften. Ich hätte mich zwar gerne auf dem Treppchen (immerhin zweifacher Vizemeister 2021, 2022) von dieser AK verabschiedet, aber da waren die drei Herren vorne selbst ohne Verletzung für mich zu schlagen gewesen. Nächstes Jahr also AK 55, ich freue mich darauf. Ich freue mich ebenfalls auf die hoffentlich erneut großartige Unterstützung des Hamburger Publikums an der Strecke. Die Hamburger machen den Marathon jedes Jahr zu einem besonderen Erlebnis, aber 2023 habt ihr euch selbst übertroffen.

Die Stimmung war irre gut, nicht nur an den üblichen Knotenpunkten wie Reeperbahn, Landungsbrücken, Jungfernstieg, Alte Wöhr, Ohlsdorf und Eppendorfer Baum, gefühlt war die gesamte Strecke gesäumt von interessierten Menschen, die des Anfeuerns nicht müde wurden. Das war großes Kino für hoffentlich alle Marathonteilnehmer.

Die Aussichten

Und ich freue mich, wenn ich wieder in Altona von einem bestimmten Balkon aus erneut mit den Blues Brothers beschallt werde. Irgendwie läuft da immer wenn ich dort während des Marathons vorbeilaufe Musik der Blues Brothers, finde ich dufte. Und vielleicht entdecke ich wieder prominente Menschen unter den Zuschauern, diesmal erkannte ich irgendwo zwischen  Km 31 und 32, obwohl schon voll im Tunnel, den Zeit-Chefredakteur und „3 nach 9“-Moderator Giovanni di Lorenzo. Kommt ja auch nicht häufig während eines Marathons vor, so ein Prominentenwatching. Ja, das wird bestimmt super, nächstes Jahr beim Hamburg-Marathon. Und vielleicht komme ich mal wieder ohne Verletzung durch die Vorbereitung, was mir 2021, 2022 und 2023 nicht so wirklich gelang. Wenn doch, greife ich wieder meiner Bestzeit an. Ich versuche es jedenfalls.

(Fotos: privat von Michael Hesse, Peter Rasmus und Oliver Schwarz)

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