Gérald Bronner: Kognitive Apokalypse

Gérald Bronner Kognitive Apokalypse Cover C.H.Beck Verlag

Der französische Sozialwissenschaftler Gérald Bronner untersucht in „Kognitive Apokalypse“ die Veränderungen der digitalisierten Welt

Swipen, skippen, liken, kommentieren: Ein großer Teil unser Aktivitäten hat sich ins Digitale verlagert. Fast vier Stunden pro Tag verbringen wir vor Bildschirmen. Es ist eine Welt voller Möglichkeiten, in der wir Kontakte aufbauen und pflegen, uns informieren und unterhalten, konsumieren und uns produzieren. Aber es ist auch eine Welt, in der Hass, krude Theorien und Fake News ungefiltert auf uns einwirken. Was macht das mit uns als Individuen und als Gesellschaft? Der renommierte Soziologieprofessor Gérald Bronner erklärt in „Kognitive Apokalypse – Eine Pathologie der digitalen Gesellschaft“ vor dem Hintergrund aktueller Erkenntnisse aus Soziologie, Psychologie und Neurowissenschaft, was unser Verhalten in der digitalen Welt über uns und unsere tiefsten Sehnsüchte aussagt.

Gérald Bronner zeigt sich besorgt um den Zweifel an der Wissenschaft

Gérald Bronner Kognitive Apokalypse Cover C.H.Beck Verlag

Bronner beginnt seine in Teilen schockierende Analyse mit der Beschreibung der Tempozunahme. Die permanente Versorgung mit immer neuen Reizen, Informationen und Angeboten über das Internet hat den Menschen ihre gemeinsame Basis genommen. Die Geschichte, so schreibt er, scheint zu galoppieren. Die ersten zwei Jahrzehnte dieses Jahrhunderts hätten „eine massive Deregulierung des kognitiven Marktes“ herbeigeführt. Jedes Individuum habe durch die beispiellose Masse verfügbarer Informationen eine eigene Darstellung der Welt entwickelt. Traditionelle Gatekeeper wie Journalist:innen hätten an Einfluss und damit an Möglichkeit zur Regulierung verloren; methodisches Denken müsse daher mit Glaube und Vermutungen konkurrieren.

Es ist vor allem der zunehmende Zweifel an der Wissenschaft, am analytischen und rationalen Denken, der Bronner besorgt. Der freie Wettbewerb begünstige oft die Produkte der Leichtgläubigkeit, was an der wachsenden Anzahl der Anhänger:innen von Verschwörungstheorien gut ablesbar sei. Bronner spricht an dieser Stelle von einem Kampf um die Aufmerksamkeit, dessen Ausgang am Ende entscheidend sein wird für die Überlebensfähigkeit ganzer Gesellschaftssysteme. Wie setzen wir also unsere freigesetzte Gehirnzeit auf dem kognitiven Markt ein?

Bronners Antworten

Gérarld Bronner gibt auf diese Fragen mehrere Antworten. Er zitiert aktuelle Studien, beschreibt Alltagsbeobachtungen und leitet mögliche logische Folgen ab. „die Stunde der Konfrontation mit unserer eigenen Natur wird kommen“ schwört er bereits im Vorwort seines Buches ein. Und nach Lektüre dieses Buches kann man nur beipflichten. Es hat sich vieles verändert und wir stecken längst tief fest in einem Gewöhnungsprozess, der Fake News, Lügen und Ungenauigkeit auch bei lebenswichtigen Fragen nahezu widerstandslos miteinberechnet. Der Weg aus dieser Situation wird steinig. Dank kluger Köpfe wie Bronner wissen wir immerhin, wo es langgehen könnte.

Gérald Bronner: „Kognitive Apokalypse – Eine Pathologie der digitalen Gesellschaft“, C.H.Beck, aus dem Französischen von Michael Bischoff, Hardcover, 285 Seiten, 978-3-406-79128-4, 24 Euro. (Beitragsbild: Buchcover)

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