G. E. Trevelyan: Appius und Virginia

G.E. Trevelyan Appius und Virginia Cover Manesse Verlag

Deutsche Erstübersetzung des 1932 erschienenen, kammerspielartigen Debütromans der englischen Schriftstellerin G.E. Trevelyan

von Gérard Otremba

Appius steckt in einer tiefen Identitätskrise. „Nirgendwo ein Versteck. Kein Entkommen. Tier, nicht Mensch. Die Welt gehörte nicht ihm. Er war allein. Er wurde verspottet. Affe, Affe, guckt euch den Affen an, Guckt euch den Affen mit Hosen an. Allein, verhöhnt, betrogen.“ Appius ist ein Experiment seiner „Mama“ Virginia Hutton, die es sich auf die Fahne geschrieben hat, einen Orang-Utan, den sie direkt als Neugeborenes unter ihre Fittiche genommen hat, als einen Menschen zu erziehen. Die studierte Soziologin hat sich nach Diskrepanzen mit der männerdominierten Wissenschaftswelt in ein Cottage auf dem Land außerhalb von London zurückgezogen, um dort in trauter Zweisamkeit Appius auf sein Menschenleben vorzubereiten.

G.E. Trevelyan und Conditio humana

G.E. Trevelyan Appius und Virginia Cover Manesse Verlag

Die britische Schriftstellerin G. E Trevelyan lotet in ihrem 1932 erschienenen Debütroman „Appius und Virginia“, der nun erstmals in deutscher Übersetzung von Renate Haen bei Manesse vorliegt, die Grenzen der Conditio humana aus. Es funktioniert zu Beginn ja alles durchaus im Interesse von Virginia Hutton. Appius erweist sich mithin als gelehriges „Kind“, sogar das rudimentäre Sprechen erlernt der Affe, wenngleich es mit der Grammatik doch arg hapert. Eines Tages aber klettern Kinder doch auf die Mauer des Anwesens und erkennen Appius als das, was er qua Geburt ist und lassen es ihn mit spöttischen Kommentaren wissen – was zu ersten großen Irritationen in Appius‘ Verstand führt. Als er auch noch in einem illustrierten Buch sein Äußeren als Affen identifiziert, bricht seine bisherige Welt zusammen, ließ ihn Virginia natürlich stets im Glauben und Wissen, ein Mensch zu sein.

Als Leser ahnt man zwar früh, dass die Entwicklung keine gutes Ende nehmen kann, aber bis dahin macht die an den Folgen eines deutschen Bombenangriffs 1941 im Alter von 37 Jahren verstorbene Gertrude Eileen Trevelyan, die in ihrer kurzen Schriftstellerkarriere acht Romane geschrieben hat, alles ganz hervorragend.

Zwischen Philosophie und Wissenschaft

Die Studie ihrer Protagonistin gerät sukzessive in den Hintergrund, vielmehr entwickelt Virginia Hutton ein schon grotesk zu nennenden Mutterverhältnis zu Appius, der ihr als Sohn-Ersatz dient und den sie nach ihren Vorstellungen mit grenzüberschreitenden Allmachtsfantasien formt. Trevelyan bedient sich einer realistischen wie schnörkellosen Sprache und greift essentielle Fragen zwischen Philosophie und Wissenschaft auf. Ihr gelingt ein drastisches und spannendes, mitunter verstörendes, kammerspielartiges Szenario, das die Leser in ihren Bann zieht. Getrübt wird dieses Lektürevergnügen allerdings durch das Nachwort von Ann Cotten, die das sogenannte „polnische Gendering“ benutzt, was ihren Text passagenweise unlesbar macht. Das möchte man nirgendwo lesen (oder hören), schon gar nicht in einem Nachwort eines Manesse-Buches.  

G.E. Trevelyan: „Appius und Virginia“, Manesse Bibliothek, übersetzt von Renate Haen, Hardcover, 400 Seiten, 978-3-7175-2557-8, 26 Euro. (Beitragsbild: Buchcover)            

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