Alle Vorrundengruppensieger erreichen das Viertelfinale
von Gérard Otremba
Die Favoriten setzten sich durch. Mit den Siegen von Argentinien (1:0 n.V. gegen die Schweiz) und Belgien (2:1 n.V. gegen die USA) am letzten Spieltag des Achtelfinals gelangen alle Gruppenerste der Vorrunde ins Viertelfinale. Aber es war knapp, verdammt knapp. Die vermeintlichen Underdogs, die es angeblich in einem Achtelfinale einer Fußball-Weltmeisterschaft nicht gibt, machten es den arrivierten Nationen verdammt schwer. Und manchmal fehlte nur das berühmte Quäntchen Glück, um den Favoriten ein Bein zu stellen. Den in der Vorrunde noch häufig praktizierten Angriffsfußball boten die Achtelfinalteilnehmer nicht, aber dramatisch ging es in allen acht Partien zu.
Deutschlands Angstspiel gegen Algerien
Die deutsche Nationalmannschaft bekam in ihrem Spiel gegen Algerien 45 Minuten lang Anschauungsunterricht im modernen Abwehrspiel. Man spielt immer nur so gut, wie es der Gegner zulässt und Algerien ließ nichts zu. Ein brillantes Pressing auf Höhe der Mittellinie, variable Mann-Raum-Verteidigung, perfektes, technisch exzellentes Umschaltspiel und brandgefährliche, explosive Konterattacken. Ein gefühltes, ständiges Überzahlspiel der „Wüsten-Füchse“ war die Folge, die Algerier trieben die deutsch Elf vor sich her und stürzten die hoch stehenden Abwehrspieler um die teilweise heillos überforderten Außenverteidiger Mustafi und Höwedes von einer Verlegenheit in die nächste. Es herrschte ein munteres Chaos in der deutschen Abwehrreihe, den Mittelfeldstrategen Kroos, Schweinsteiger und Özil fiel kein Patentrezept ein und vorne half der liebe Gott auch nicht. Erst eine ordentliche Leistungssteigerung in der zweiten Halbzeit brachte die Löw-Truppe auf Kurs, die immer gefährlichen Nordafrikaner mussten sich der besseren deutschen Physis letztendlich doch mit 1:2 nach Verlängerung geschlagen geben. Fast hätte die DFB-Auswahl im dritten Spiel gegen Algerien die dritte Niederlage kassiert. Aber eben nur fast.
Der Klassiker Deutschland – Frankreich im Viertelfinale
Eine spielerische und taktische Steigerung wird nötig sein, um den nächsten Kontrahenten aus dem Rennen um den World Cup zu werfen. Mit Frankreich wartet am kommenden Freitag eine der positiven Überraschungen des Turniers. Fiel das Nachbarland 2010 in Südafrika nur durch interne Querelen auf und verabschiedete sich nach der Vorrunde vorzeitig, so spielten die Franzosen in Brasilien zumindest in den ersten beiden Gruppenspielen mit den aufregendsten Fußball. Der 2:0-Erfolg im Achtelfinale gegen Nigeria war zwar von spielerischer Tristesse geprägt und kam erst in der Nachspielzeit glücklich, aber verdient zustande, doch ein Pferd springt immer nur so hoch wie es muss. Und Frankreich, war da mal was? Das legendäre Halbfinale bei der Weltmeisterschaft 1982 in Spanien, als Toni Schumacher in Sevilla mit einem grenzwertigen Einsteigen den kurz zuvor eingewechselten Battiston ins Krankenhaus beförderte, als die deutsche Elf in der Verlängerung bereits 1:3 zurücklag, der verletzte Rummenigge den Anschlusstreffer besorgte, Klaus Fischer per Fallrückzieher den Ausgleich erzielte, Uli Stielike vom Elfmeterpunkt nicht traf, Schumacher hielt und Horst Hrubesch den entscheidenden Elfer sicher versengte. Ein nervenaufreibender Klassiker aus der Fußballhistorie. Eine ähnliche Dramaturgie wünschen wir uns für das Viertelfinale in Rio de Janeiro.
Das Südamerika-Duell Brasilien – Kolumbien wartet am Freitag
Ebenfalls am Freitag treffen in Fortaleza Gastgeber Brasilien und Kolumbien aufeinander. Während der fünffache Weltmeister sogar das Glück des Elfmeterschießens fürs das Weiterkommen ins Viertelefinale benötigte, besiegte Kolumbien ohne Probleme die merkwürdig zahn- und bisslosen Uruguayer. Brasilien bekleckerte sich gegen Chile wahrlich nicht mit Ruhm und hatte beim Lattentreffer von Pinillas in der 120. Minute schon verdammt viel Glück, das der Selecao auch im Elfmeterschießen hold blieb. Im Prinzip spielt Kolumbien den schönen, attraktiven und trotzdem effizienten Fußball, den man sich immer von Brasilien wünscht und stellt mit James Rodriguez den Shooting-Star der WM. Traumtor und Weltklasse-Parte gegen Uruguay, dazu führt der 22-Jährige mit nunmehr fünf Treffern die Totschützenliste an, was will man mehr? Wahrscheinlich das Erreichen des Halbfinals. Würde von der Presse als große Sensation gepriesen werden, nach den bisher gezeigten Leistungen stellte es jedoch eine logische Konsequenz dar. Verspricht eine überaus interessante Begegnung zu werden.
Argentinien und Belgien mit viel Glück eine Runde weiter
Ins Halbfinale möchte natürlich auch Brasiliens ungeliebter Nachbar Argentinien. Das Team um Superstar Lionel Messi spielt mit den langweiligsten Fußball der WM, aber den effektivsten mithin. Vier Partien, vier Mal gewonnen, immer mit einem Tor Unterschied. Und irgendwie ist immer Messi beteiligt, in der letzten Runde gegen die Schweiz mit dem entscheidenden Antritt und dem klugen Pass auf di Maria, der eiskalt zum 1:0 vollendete. Dass die grandios dagegenhaltenden Kicker der „Nati“ noch in allerletzter Minute mit einem Kopfball am Pfosten scheiterten und auch der Abpraller im Aus landete, spricht für das Pech der Außenseiter in den Achtelfinals. Gegen Belgien, das sich in einer atemberaubenden Verlängerung mit 2:1 gegen die prächtig kämpfenden US-Amerikaner durchsetzte, muss die „Albiceleste“ definitiv einen Gang höher schalten, um des Semifinale zu erreichen. Sowohl die Schweiz, als auch die USA hätten mindestens genauso verdient weiterkommen können.
Holland ringt Mexiko nieder, Costa Rica bezwingt Griechenland
Das Traumfinale Deutschland vs. Niederlande, und somit eine mögliche Revanche für 1974 rückt immer näher. Im glutheißen Stadion von Fortaleza genügte den Holländern eine vergleichsweise durchschnittliche Leistung, um die bedauernswerten Mexikaner in der Nachspielzeit durch ein Elfmetertor von Klaas Jan Huntelaar mit 2:1 in die Knie zu zwingen. Der Fallsucht eines gewissen Arjen Robben hat das Team von Louis van Gaal den Sieg durchaus zu verdanken. Ich will eine Berührung von Marquez an Robben gar nicht in Frage stellen, dessen Flugshow jedoch ist reichlich überflüssig, eine B-Note wird für das Abheben im Strafraum noch nicht vergeben. Das hat der sonst so begnadete Fußballer Arjen Robben wirklich nicht nötig. Schade, zumal Robben beim Elfmeterschinden immer wieder auffällig wird. Vielleicht ist das alles am Samstag in Salvador gegen das Überraschungsteam aus Costa Rica nicht nötig. Die Mittelamerikaner hatten gegen Griechenland mit einer 1:0-Führung im Rücken alles im Griff, bis eine gelb-rote Karte für Duarte die Mannschaft schwächte, der Ausgleich kurz vor Ultimo hingenommen werden musste und Keeper Navas im Shoot-Out vom Elfmeterpunkt gegen Gekas parierte. In der Heimat längst Helden, aber ob es für das Halbfinale reicht? Wahrscheinlich nicht, aber wir lassen uns gerne überraschen.