Die Buchmesse macht süchtig
von Gérard Otremba (Beitragsfoto: Logo Frankfurter Buchmesse 2014)
Zur Virenschleuderpreisverleihung schaffte ich es aus zeitlichen Gründen dann doch nicht, mit Viren schleuderten jedoch während der Frankfurter Buchmesse viele andere Besucher, Viren, die sich nun meines Halses und meiner Bronchien bemächtigen. Dieser Gefahr setzt man sich Jahr für Jahr in den Frankfurter Messehallen aus und an drei von mir besuchten Buchmessentagen gibt es viel Ansteckungszeit. Im Gegensatz zur geschätzten Kollegin Sophie Weigand, die ihre Frankfurt-Buchmessenpremiere hinter sich brachte, gehöre ich mit circa 20 Teilnahmen seit längerer Zeit zum Stammpublikum. Und jedes Jahr aufs Neue erfasst mich das Buchmessenfieber, früher geballt an einem Tag, die diesjährigen Termine wohldosiert eben auf drei verteilt. Es ist nach wie vor ein großes Vergnügen, gute alte Bekannte aus Vertrieb und Außendienst diverser Verlage aus meiner Buchhändlerzeit wiederzusehen und neue Menschen aus den Presseabteilungen von Kiepenheuer & Witsch, Ullstein, Diogenes, Hörbuch Hamburg, Edel Books und Hanser kennenzulernen.
Die Literaturpreise
Am Stand des Hanser Verlags brandete am Donnerstag kurz nach 13 Uhr der große Jubel aus, gewann doch der französische Hanser-Autor Patrick Modiano den Literaturnobelpreis, nicht nur für Presseleiterin Christina Knecht „eine Überraschung“, die für Verlagschef Joe Lendle einen kaum beherrschbaren Interviewandrang nach sich zog. Der ursprünglich für das Frühjahr 2015 geplante neue Modiano-Roman Gräser der Nacht wird aus aktuellem Anlass bereits auf den 5. November vorgezogen. Der Hanser Verlag darf sich also als großer Sieger fühlen, die Kollegen im Unionsverlag freuen sich immerhin über den LiBeraturpreis für Raja Alem. Und der 40. Verlagsgeburtstag wird nächstes Jahr gefeiert, Überraschungen inklusive, während der Ullstein Verlag die Buchmesse zur feierlichen Eröffnung seines neuen Blogs Resonanzboden nutzte. Und wenn ich schon bei den Preisen angekommen bin, darf ich natürlich nicht die der unabhängigen Verlage vergessen. Bei der von Claudia Cosmo launig und unterhaltsam moderierten Verleihung ging der mit 5000 Euro dotierte Hauptpreis der HOTLIST 2014 an der Verlag Lars Müller Publishers in Zürich für den Bildband Menschen am CERN, den mit einem Druckgutschein der Freiburger Graphischen Betriebe im Wert von 4000 Euro dotierten Melusine-Huss-Preis 2014 erhielt der AvivA Verlag in Berlin für das Buch Mädchenhimmel!, Gedichte und Geschichten von Lili Grün. Hinterher wurde der Raum für die Disco geräumt, Rock’n‘Roller kamen nicht wirklich auf ihre Kosten.
Marion Brasch, Michael Köhlmeier und der Müßiggang
Mein großzügiger Zeitplan, sowie die ein oder andere krankheitsbedingte Absage machte ein weitläufiges Schlendern durch die Gänge möglich. So ließ ich mir von Marion Brasch bei 3Sat Kulturzeit eine Passage aus ihrem zauberhaften Roman Wunderlich fährt nach Norden vorlesen und lauschte den weisen Worten von Michael Köhlmeier im Interview am Stand der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Für Köhlmeier entsteht ein Roman „Satz für Satz beim Schreiben“ und doch mag der österreichische Autor nicht von Arbeit reden, sei doch die Arbeit in seiner Alemannischen Heimat negativ kanoniert, er jedoch schreibe „sehr gerne“. Michael Köhlmeier zuzuhören war ein ganz und gar erheiternder und aufschlussreicher Genuss. An einem Verlagsstand bin ich trotz meines Müßiggänger-Tempos prompt vorbeispaziert. Zwar direkt neben Aufbau platziert, aber so entzückend winzig klein, dass ich den Rückwärtsgang einlegen musste, um den Kladdebuchverlag zu besuchen. Am Samstag war das alles kein Problem, da leuchteten mir die roten Haare von Sabine Wirsching entgegen, hell und kräftig, nicht zu übersehen. Die Berliner Journalistin und Bloggerin rührte die Werbetrommel für ihr dann hoffentlich demnächst via Crowdfunding finanzierten Debütroman Druckstaueffekt – Soundcheck Berlin. Auf eben solchen Erfolg wartet ihr in Freiburg beheimateter Autorenkollege Jonathan Löffelbein mit seinem Roman Der Besucher. Unterstützung lohnt in beiden Fällen. Und weil auch die überaus angenehmen Gespräche mit den Bloggerkolleginnen und Kollegen ab sofort zu einem festen Bestandteil der Buchmesse gehören sollten, komme ich wieder, keine Frage, nächstes Jahr auf die Buchmesse zurück. Versprochen.
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Schöner Bericht. Von Michael Köhlmeier hab ich vor einigen Jahren den Roman „Abendland“ gelesen, fand ich total klasse. Viele Grüße, Gerhard
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