Family Of The Year: Goodbye Sunshine, Hello Nighttime – Album Review

Family Of The Year Credits Dominoe Farris

Eine Familie zwischen Rückblick und Schaffenskrise

Unvergessen ist der Superhit „Hero“ der aus LA stammenden Band Family Of The Year, der nicht nur als Soundtrack zum Independent-Film „Boyhood“ (2014) fungierte, sondern auch in Deutschland Platinstatus erreichte. „Loma Vista“ von 2012, aus dem der Song stammt, war das zweite Album der Band. Nach diesem Kickstart wurde es erstmal etwas ruhiger um das Quartett mit den Brüdern Joseph und Sebastian Keefe, James Buckel und Christina Schroeter. Mit dem selbtsbetitelten dritten Album „Family Of The Year“ lieferten sie bereits 2015 einen überzeugenden Nachfolger ab, der zwischen Folk- und Synthie-Pop-Mischungen neue Hits wie „Carry Me“ oder „May I Miss You“ hervorbrachte.

Auf Tour allerdings merkte man der Band den zunehmenden Erfolgsdruck an. Konzerte waren kurz und energielos. Die Band wirkte unmotiviert, ohne großen Bezug zum Publikum aufzunehmen. Die einstige positive Nachhaltigkeit der Wahlfamilien schien verflogen. In der Tat kommentierte Sebastian Keefe jüngst im ARD-Morgenmagazin, diese Zeit als eine schwierige Phase der Band, die vom Tour-Stress, Alkoholexzessen und viel Streit innerhalb der Mitglieder geprägt war.

Family Of The Year Goodbye Sunshine Hello Nighttime CoverBeim vierten Album „Goodbye Sunshine, Hello Nighttime“ kehren die Vier musikalisch den letzten Jahren den Rücken und wagen einen Rückblick auf die Kindheit der Keefe-Brüder, die weniger schillernd war, als es sich in ihrer Vita liest. Auf Martha’s Vineyard, die Insel, die heute als Inbegriff für Protz-Prunk-Reisehotspot der amerikanische High-Society gilt, wuchsen die Brüder in einem Arbeiterklasse-Haushalt auf. “Wir lebten in diesem winzigen Haus. Joe und ich teilten uns ein Zimmer und mein Drum-Set war zwischen unsere Betten gezwängt“, sagt Drummer Sebastian Keefe über diese Zeit. „Musik war eine Ausflucht“, ergänzt Joe. Für die Aufnahmen, dieser sehr persönlich geprägten Geschichten, wollten sie auch auf Bandebene einen kompletten Neuanfang wagen und schlossen sich nach der Krise kurzum monatelang mit ihrem Wahl-Produzenten Greg Wells im Studio ein.

Herausgekommen ist am Ende ein Album, das so leise daherkommt, dass man die alten Energien der Amerikaner mit einem Vergrößerungsglas suchen muss. Die Songs sind nicht schlecht abgemischt, tragen aber alle eine allumfassende Portion Endzeitstimmung und Unausgewogenheit in sich, die gefühlt in jedem der zwölf Arrangements durch das Piano dramatisch unterstrichen wird. Die Lieder klingen zum Teil fast gleich wie I’m The One und „Raw Honey“, in denen Sebastian und Christina sich als Duettpartner mit Piano-Bgleitung begegnen. „Goodbye Sunshine, Hello Nighttime“ ist somit leider, leider ganz weit weg von einem Neuanfang und wirkt eher so, als wäre die Band noch immer in einer tiefen zwischenmenschlichen Schaffens-Krise, die es erst zu bearbeiten gilt.

Einzig „The Coast“ lässt vermuten, dass da noch ein Funke in der Band sprüht, hat dann so seine Momente, die aber auch so schnell wieder verglühen, wie der berüchtigte Tropfen auf dem heißen Stein. Wer die Band im Laufe der Jahre begleitet hat, weiß, dass da mehr drin ist. Wer die Family noch nicht kennt, wird das Album hören und vergessen, oder gar nicht erst kaufen. Das Fazit ist trotzdem: Man muss die Hoffnung nicht aufgeben, denn Family Of The Year sind wirklich ein ziemlich talentierter Zusammenschluss von begabten Künstlern und so sollte man „Goodbye Sunshine, Hello Nighttime“ vielleicht als Zwischenprozess zu einem baldigen, erfreulicheren Neuanfang werten.

„Goodbye Sunshine, Hello Nighttime“ von Family Of The Year erscheint am 18.5.2018 bei Warner Bros. Records (Beitragsbild: Family Of The Year by Dominoe Farris)

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