Ein feiner und glücklichmachender Coming-of-Age-Roman von Ewald Arenz
Ewald Arenz zieht die Leser mit seinem neuen Roman „Der große Sommer“ magisch in den Bann. Seine Coming-of-Age-Story evoziert eine ähnlich unbeschwert-melancholisch-nostalgische Atmosphäre wie der ebenfalls in diesem Frühjahr veröffentlichte neue Roman von Benedict Wells, „Hard Land“, oder der 2016 für die Shortlist des Deutschen Buchpreises nominierte „Skizze eines Sommers“ von André Kubiczek. Alle drei Autoren wählen die 80er-Jahre, aber verschiedene Orte als Spielwiese für ihre jugendlichen Helden. Während Kubiczek das Jahr 1985 und Potsdam aussucht, verschlägt es Wells in eine amerikanische Kleinstadt in Missouri desselben Jahres. Ewald Arenz schickt uns indes in seine Heimatstadt Nürnberg des Jahres 1981 und folgt autobiographischen Spuren.
Lust und Frust in den Sommerferien
Die großen Sommerferien stehen vor der Tür, doch die Aussichten für den 16-jährigen Friedrich „Frieder“ Büchner sind alles andere als verheißungsvoll. Um die 9. Klasse nicht noch einmal wiederholen zu müssen, wird Frieder, der bereite die 5. Klasse wiederholt hat, über die sechswöchige Erholungszeit zu seinen Großeltern geschickt, um unter der Aufsicht seines gestrengen Stiefgroßvaters, „vor dem in der Familie alle Angst hatten“ und den die Enkel bis zu ihrem zehnten Lebensjahr Siezen mussten, für die Bachprüfung zu lernen, während bis auf seien Schwester Alma der Rest seiner „schrägen“ und zugleich „coolen“ Groß-Familie sich in den Urlaub verabschiedet.
Was sich für Frieder zunächst wie ein Schreckensszenario anhört, entpuppt sich als ein aushaltbares Arrangement. Zwar muss er von 8-12 Uhr büffeln, die Nachmittage und Abende stehen ihm aber zum Abhängen mit seinem besten Kumpel Johann zur Verfügung. Mit seiner noch vergleichsweise jungen, keine 60 Jahre alten Großmutter „Nana“ versteht er sich sowieso blendend und an einem verregneten Tag lernt er auf dem Sprungbrett im Freibad Beate kennen.
Die schönen Momente und Schattenseiten des Lebens
Es folgt, was folgen muss im Konzept des Coming-of-Age-Romans. Das Aufkeimen der Liebesgefühle bis hin zum ersten Sex sowie einige halblegale Abenteuer mit Johann, Beate und Alma, die Frieder Ärger einbringen. Die schönen Momente des Lebens begleiten Ewald Arenz‘ Protagonisten genauso wie die Schattenseiten auf dem Weg heraus aus der Kindheit. Nachdem Johanns Vater überraschend gestorben ist, driftet Frieders bester Freund immer mehr in eine Paranoia ab, die zu Verrat führt. Gleichzeitig entdeckt und liest Frieder alte Tagebücher seiner Großmutter, die von der Danziger Herkunft dieses Familienzweigs künden und die Frühphase der Beziehung zum Stiefgroßvater nach dem Krieg beleuchten. Ungemach droht also auch von seiner geliebten „Nana“, als diese ihren Enkel bei diesem Vertrauensmissbrauch ertappt.
Ein großer Spaß mit Ewald Arenz
Der Ausflug in die bundesrepublikanische Wirklichkeit des Jahres 1981 mit Protesten gegen die atomare Bewaffnung Deutschland als politischen Background gerät in „Der große Sommer“ zu einem leider nach 320 Seiten endenden großen Spaß. Ein Spaß, den Ewald Arenz mit witzigen Dialogen, glaubhaften Charakteren und viel Empathie für seine Figuren unterfüttert. Der 1965 in Nürnberg geborene Autor und Lehrer wandelt stilsicher zwischen Glück und Frust, zwischen Leben und Tod, zwischen Leichtigkeit und Ernst. Eine literarische Oase im Genre des Entwicklungsromans und der passende Roman zu einem hoffentlich großen kommenden Sommer.
Ewald Arenz: „Der große Sommer“, DuMont, Hardcover, 320 Seiten, 978-3-8321-8153-6, 20 Euro. (Beitragsbild: Buchcover)
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