Everything But The Girl: Fuse

Everything But The Girl Credit Edward Bishop

Ein neues Album von Tracey Thorn und Ben Watt alias Everything But The Girl hatte bis zur Comeback-Single im Januar kaum einer auf dem Zettel. Jetzt ist es da – und die Wartezeit hat sich ausgezahlt.

von Werner Herpell

Es lohnt sich, zur Feier des mit Spannung erwarteten Comebacks von Everything But The Girl mal wieder deren fast 40 Jahre altes Debüt „Eden“ zu hören. Man bemerkt dann, dass Sängerin Tracey Thorn und Multiinstrumentalist Ben Watt einen weiten Weg gegangen sind vom jazzigen Sophisticated-Folkpop ihrer jugendlichen Anfänge bis zum gepflegten Electro-Dancefloor- und Synthie-Balladen-Sound der Gegenwart. Und doch ist vieles konstant geblieben bei diesem legendären britischen Pop-Duo, oder es hat sich nur in (durchaus positiven) Maßen verändert.

Melancholie kombiniert mit Electro-Grooves

Everything But The Girl Fuse Cover Virgin Music

„Fuse“, das erste Album von

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EBTG (so die gebräuchliche Abkürzung) seit 24 Jahren, dürfte für Fans beider Lager viel Schönes bereithalten. Denn melancholische Melodien und Thorns unverwechselbare, zu Herzen gehende Stimme stehen bei den zehn neuen Songs ebenso im Mittelpunkt wie einige coole, aber zum Glück nie verkrampft modische Soul-Grooves (wer dazu „Old School“ sagt, liegt richtig). Eine stilistische oder klangtechnische Weiterentwicklung findet zwar eigentlich nicht statt – aber hatte man das ausgerechnet von Everything But The Girl ernsthaft erwartet oder gewünscht?

Wer auf eine frische Neuauflage ihres künstlerischen Erfolgs mit dem Triphop-Remix-Welthit „Missing“ (vom 1994er Album „Amplified Heart“) gehofft hatte, dürfte also ebenso wenig enttäuscht sein wie Verehrer der ganz frühen, dem „Easy Listening“ nahestehenden Band-Klassiker „Eden“ (1984) und „Baby, The Stars Shine Bright“ (1986). Zumal der Gesang der inzwischen auch als Solokünstlerin und Buchautorin erfolgreichen Thorn (60) auf faszinierende Weise gereift ist, aber beim Hörer immer noch all die Gefühle der verschiedenen Bandphasen in den 80er und 90e Jahren wachruft.

Tracey Thorns tiefergelegte Stimme

„Meine Stimme hat sich im Laufe all der Zeit nur wenig verändert, und dann, in den letzten fünf Jahren, ganz plötzlich“, sagt sie im „Rolling Stone“ (April-Ausgabe) über „Fuse“. „Jetzt klingt sie nicht mehr so glatt, und das finde ich toll. Es gibt ein paar Tracks auf dem Album, bei denen ich buchstäblich an den unteren Rand meines Stimmumfangs gehe.“ Watt (60), der mit mehreren feinen Singer-Songwriter-Platten und als DJ zuletzt ebenfalls solo unterwegs war, fügt in dem Interview hinzu: „Traceys Stimme galt vielen als sakrosankt, als unantastbar.“ Daher sei dem Duo – auch im wahren Leben seit 40 Jahren ein Paar – klar gewesen, dass der Gesang teilweise verfremdet, verzerrt und in der Tonhöhe verschoben werden musste.

Die beiden Seiten von Everything But The Girl kommen gleich in den ersten „Fuse“-Tracks zum Vorschein. Während die im Januar veröffentlichte erste Single „Nothing Left To Lose“ uptempo und tanzbar ist (ohne eine unterschwellige Schwermut auszublenden), bezaubert „Run A Red Light“ als ein für diese Projekt sehr typischer Torch Song. Danach unterfüttert „Caution To The Wind“ Thorns tieftraurige Stimme wieder mit treibenden Beats und schimmernden Synthie-Flächen, ehe „When You Mess Up“ eine reduzierte Ambient-Piano-Atmosphäre verbreitet und sich in Richtung Autotune-Verfremdung vorwagt. Das stärkste, bewegendste Lied des Albums ist „Lost“, das an The Blue Nile oder David Sylvian erinnert.

Starke Reunion von Everything But The Girl

„Der konkrete Sound war tatsächlich das Letzte, was für uns eine Rolle spielte, als wir im März 2021 anfingen“, erzählt Tracey Thorn über die Entstehung des Albums. „Natürlich waren wir uns des Drucks bewusst, den ein so lang erwartetes Comeback mit sich bringt. Wir versuchten, in einem Geist offener Verspieltheit zu beginnen, noch ohne klare Richtung und offen für Neues.“ Für Ben Watt war der Prozess „aufregend, eine ganz natürliche Dynamik entstand“. Das Ergebnis dieser Wiederannäherung: Fast ein Vierteljahrhundert nach „Temperamental“ (1999) und dem künstlerischen (nicht privaten) Split von Everything But The Girl ist ihre Reunion ebenso überzeugend wie hochwillkommen.

„Fuse“ von Everything But The Girl erscheint am 21.04.2023 bei Virgin Music. (Beitragsbild von Edward Bishop)

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