Dry Cleaning: New Long Leg – Albumreview

Dry Cleaning by Steve Gullick

Zwischen New Wave und Post-Punk: Aufregendes Debütalbum der britischen Band Dry Cleaning

„One of the most exciting bands in Rock“ attestiert der US-Rolling Stone dem Quartett Dry Cleaning aus dem Südosten Londons. Erstaunlich für jede/n, die/der damit exzessive Gitarren-und/oder Vokal-Eruptionen erwartet (diese Personen sollten weiter ziehen zu Saint Agnes, dort werden sie fündig werden): Dry Cleaning agieren musikalisch verhalten sowie songdienlich – äußerst selten blitzt ein dominanteres Riff durch die zum Teil schon fast relaxte Darbietung des Gitarristen Tom Dowse, der sich vor Dry Cleaning in Hardcore-Bands zur Genüge ausgetobt zu haben scheint. Zusammen mit Drummer Nick Buxton sowie Bassist Lewis Maynard (dessen Instrument häufig ebenso ein führendes wie die Gitarre darstellt) bildet das Trio das Fundament der Formation, das ursprünglich selbst versuchte zu ihren Klängen zu singen.

Dry Cleaning mixen einen coolen Klang-Coktail

Dry Cleaning New Long Leg Cover 4AD

Makulatur wurde dies, als sie während einer Karaoke-Veranstaltung auf Florence Shaw trafen, deren Pfade alle drei bereits in der Vergangenheit kreuzten. Shaw war vorher in diversen Disziplinen künstlerisch zugange, jedoch nie als Sängerin. Es wäre nachvollziehbar, würde man das gegenwärtig immer noch so definieren – Shaw rezitiert meist eher, selten ändert sich dabei ihr Tonfall, wenn sie aus ihren Notizbuch voller aufgeschnappter Phrasen neue Texte generiert oder, wie auf der EP „Sweet Princess“ (2019) Meghan Markle huldigt, dem Star aus „Suits“, der zwischenzeitlich zur Herzogin von Sussex mutierte. Zusammen ergibt das einen unfassbar coolen Klang-Cocktail, der in den heftigsten Momenten Nähe zu Post-Punk-Giganten wie Bauhaus oder Joy Division evoziert (vor allem bei „Unsmart Lady“).

John Parish produziert und Florence Shaw fasziniert wie Nico

Produziert von John Parish, der durch seine wiederholte Zusammenarbeit mit P.J.Harvey eine perfekte Wahl für Dry Cleaning darstellt, bietet „New Long Leg“ zehn Stücke mit hintergründigen Beobachtungen unter anderem über das menschliche Zusammensein oder den Brexit. Obwohl sparsam in der Intonation, fasziniert Shaws Vortrag auf ähnliche Weise wie der Nicos bei The Velvet Underground, bloß weit wohlklingender; oder wie der Marie Davidsons auf ihren Soloplatten, nur weniger exaltiert. Bei „John Wick“ geht der Gitarrenklang auch mal etwas in Richtung angeschrägtem Classic-Rock, bei „More Big Birds“ scheint New Wave durch. Shaw fängt bei letzterem Stück sogar leichtfüßig an zu trällern, ein Keyboard addiert Frühlingsgefühle.

Dry Cleaning covern Grimes

Dass Florence Shaw auch anders kann, wird deutlich auf dem dritten Teil der vierteiligen 4AD Jubiläums-EP „Bills & Aches & Blues“, den man digital bereits hören kann, physisch allerdings erst im Juli erscheint: Auf diesen Samplern covern aktuelle 4AD-Acts klassische. Dry Cleaning versuchen sich an „Oblivion“ von Grimes  – und man meint fast, eine andere Band zu hören oder zumindest eine mit anderer Sängerin. Ebenfalls schön. „New Long Leg“ ist jedoch die besonderere  Darbietung. In der Tat „exciting“, nur eben anders, als vielleicht erwartet. Beziehungsweise gerade deswegen.

„New Long Leg“ von Dry Cleaning“ erscheint am 02.04.2021 bei 4AD / Beggars. (Beitragsbild von Steve Gullick)

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