Nach ihren brillanten Kaléko-Vertonungen kommt uns Dota nun wieder mit eigenen Liedern. Und sofort ist klar, warum man diese Songschreiberin so schätzt.
von Werner Herpell
Man sollte sich von ihrer sanften, noblen Ausstrahlung und der gepflegten Sprache ihrer Texte nicht täuschen lassen. Dorothea Kehr, als Berliner Straßenmusikerin einst die „Kleingeldprinzessin“ und als Singer-Songwriterin mit Band nun seit Jahren schlicht Dota, kann auch eine Kämpferin sein, eine Aktivistin. Den Spagat zwischen melancholisch eingefärbten Alltagsbeobachtungen, klischeefreien Liebesliedern, ganz unpeinlichen politischen Ansagen und scharfsinnigen gesellschaftsrelevanten Appellen bekommt die 45-jährige ausgebildete Ärztin auch auf ihrem neuen Album wieder fabelhaft hin.
Zwei brillante Kaléko-Vertonungen von Dota
Vier Jahre nach „Wir rufen dich, Galaktika“ (mit der Klimakatastrophe als einem Überthema) ist „Springbrunnen“ die erste neue Dota-Platte mit eigenen deutschen Texten. Davor und danach hatte die Musikerin zwei opulente Alben mit brillanten Vertonungen von Texten der fast vergessenen Neue-Sachlichkeit-Dichterin Mascha Kaléko (1907-1975) herausgebracht – und sich so bleibende große Verdienste um die Wiederentdeckung einer Verfolgten der Nazi-Barbarei erworben. Hinzu kamen 2024 eine tolle Best-of-Dota-Live-Scheibe und eine zweite Samba/BossaNova-Kollaboration mit dem Brasilianer Danilo Guilherme im Duo Dan & Dota.
Als „neues Kapitel, das sich perfekt in die Reihe ihrer bisherigen Alben einreiht, aber eben doch neu, als wäre eine bisher unbekannte Zutat im Songlabor aufgetaucht“, beschreibt Dotas Album-PR die 13 „Springbrunnen“-Stücke (in den Bonus-Editionen mit zwei beziehungsweise drei Tonträgern sind es noch etliche Lieder mehr). Und tatsächlich wird jeder, der diese Musikerin schon seit langem schätzt und bewundert, bei Pop-Chansons wie dem Opener „Der Frühling“, beim wunderschönen „Ich und Er“, dem sanft groovenden „Kettenkarussell“ oder dem nachdenklichen Closer „Ein gutes Versteck“ sofort wieder andocken können, ebenso bei der südamerikanisch angehauchten Beziehungsanalyse „Das wogende Meer“.
NDW als „Zutat im Songlabor“
Dazwischen gibt es als „Zutat im Songlabor“ mehrfach Anklänge an die zunächst noch gute Neue Deutsche Welle vor 45 Jahren, damals mit der Berliner Punkpop-Band Ideal und Spliff im Zentrum, oder an den frischen Deutschpop der Nuller-Jahre von Wir Sind Helden. Etwa mit „Ein gutes Buch“ oder „Im Springbrunnen baden mit nackten Milliardären“ – dem Song, der diesem Album den (verkürzten) Titel leiht. Hier zeigt sich wieder mal, wie lässig und clever, weil ohne platte Polemik auskommend, Dota über Politik singen kann. Denn natürlich denkt man bei den „reichen Greisen, die im öffentlichen Raum entgleisen“ (Textzeile), an die Trumps, und bei den „nackten Milliardären“ an die Musks dieser Welt. Auch der Springer-Konzern und Nestlé bekommen ihr verdientes Fett weg – aber eben mit feinem Humor, Florett statt Säbel. Ohne nervigen Zeigefinger, und deswegen umso eindringlicher.
Auch „Abgelenkt“ ist so ein Song: Wir driften durch die sozialen Medien weg von den wirklichen Problemen der wirklichen Welt, und das kann auf Dauer nicht gut gehen. „Wenn dir das reicht“, wieder im NDW-Uptempo-Modus, handelt von Greenwashing und dem Selbstbetrug der vermeintlich „Linken“ („Was ist aus der Rebellion geworden?“).
„Überall Frage-, kaum Ausrufezeichen“
Man mag manchen Satz im ersten Moment für recht leichtgewichtig, gar naiv halten, weil er so freundlich daherkommt – aber da die kluge Dota sich und ihre eigene Welt immer ein Stückweit auch selbst in die Kritik mit einbezieht, wird es nie selbstgefällig oder wohlfeil. Ihr Motto definiert der Musikerkollege Francesco Wilking (Die Höchste Eisenbahn) so: „Jedes Wort bedeutet mindestens auch sein Gegenteil, überall Frage-, kaum Ausrufezeichen.“ Die schon vorher vielfach ausgezeichnete Songschreiberin Kehr hat viel aus ihrer Beschäftigung mit der Lyrik Mascha Kalékos gelernt, soviel steht fest.
Musikalisch ist „Springbrunnen“, wie schon angedeutet, sehr vielfältig geraten – dies ist eine ihre genreübergreifendsten, buntesten Platten. Mit Gitarrist Jan Rohrbach, Schlagzeuger Janis Görlich, Keyboarder Patrick Reising und Bassist Alexander Binder hat Dota aber auch seit langer Zeit eine Klasse-Band zusammen, mit der sie die Songs arrangiert und aufnimmt.
Dota mit wachen Augen und großem Herz
Um zum Abschluss nochmal die „Springbrunnen“-Linernotes von Francesco Wilking zu zitieren: „Es brauchte schon immer nur wache Augen, eine Stimme, die die eigene ist, und ein Herz, in das mehr als die eigene Altersvorsorge reinpasst. Dota weiß, wer sie ist, und sieht die Dinge, die sie mit der Welt, in der sie lebt, verbinden und von ihr trennen. Dinge, die ihr Hoffnung geben und die sie abstoßen – denen sie in ihren Songs mit Ehrlichkeit oder beißender Ironie begegnet.“ Passt genau. Ein wunderbares Album der einstigen Kleingeldprinzessin – wieder mal.
Das Album „Springbrunnen“ von Dota erscheint am 27.06.2025 in verschiedenen CD- und Vinyl-Editionen bei ihrem Label Kleingeldprinzessin. (Beitragsbild von Annika Weinthal)