Entfesselte Klassiker
Verdis „Otello“, Wagners „Parsifal“ und „Mein Beethoven“: Der Jazz-Bassist Dieter Ilg hat in seiner Karriere bereits mehrfach seine klassischen Wurzeln erforscht und in den Jazz überführt. Für die Stücke von „B-A-C-H“ ließ er sich diesmal von den Kompositionen Johann Sebastian Bachs inspirieren. „Du kannst nicht Jazz spielen, ohne auch Bach zu spielen“, stellte Saxofonist Joshua Redman über den Einfluss des Urvaters der europäischen Kunstmusik fest. Eine Einstellung, die auch Dieter Ilg teilt: „An ihm kommt man als Musiker nicht vorbei.“ An der Seite von Ilg stehen erneut Pianist Rainer Böhm sowie Schlagzeuger Patrice Héral, die ihn bereits bei „Otello“ unterstützten.
Schon im Opener „931“, inspiriert von „Kleine Präludien aus dem Klavierbüchlein für Wilhelm Friedemann Bach“, wird der ungezwungene und spielerische Umgang des Trios mit den Großtaten des Urvaters der europäischen Musik offenbar. Ilg und seine Mitstreiter spielen federleicht, sie geben den Themen neue Formen, sie schwelgen, swingen, dass es eine helle Freude ist. Den mathematisch-strukturalistischen Kompositionen setzen Ilg & Co. die Freiheit des Jazz entgegen und hauchen ihnen somit frisches Leben ein. Dabei spielen sie immer mit großer Achtung vor den Kompositionen, mit sensiblem Fingerspitzengefühl. Das gilt für sämtliche der zwölf Stücke dieser Sammlung, von denen insbesondere das der „Sonate Nr. 2 für Flöte und Cemballo“ entlehnte „Siciliano“, das auf die „Französische Suite Nr. 5 in h-moll“ fußende „Sarabande“ und das die „Goldberg Variationen“ aufgreifende „Goldberg H“ herausragen.
Die Intensität ihres Zusammenspiels ist mitreißend. Ilg, Böhm und Héral verstehen sich blind. Alle nutzen den ihnen zustehenden Raum für Entfaltung, ohne je die Komposition aus den Augen zu verlieren. Würdevoll ist das, ergreifend und erfrischend. Es ist fast, als hätte man diese Kompositionen endlich aus ihrem Korsett befreit und ließe sie tanzen. Man kann ihn fast greifen, den Spaß, den das Trio beim Einspielen dieser Aufnahmen gehabt haben muss. Und genau das vermittelt diese Platte auch dem Hörer: eine neugewonnene Freude an den klassischen Vorlagen. Dieter Ilg ist erneut ein ganz großer Wurf gelungen.
„B-A-C-H“ von Dieter Ilg ist am 29.09.2017 bei ACT erschienen.