Jazz, Soul, R&B und Westcoast-Rock-Pop: Diane Birch hat mit „Flying On Abraham eine Hommage an vergangene Epochen komponiert
von Sebastian Meißner
Diane Birchs neuestes Werk „Flying On Abraham“ braucht eine Weile, bis es zur vollen Entfaltung kommt. Zwar sind die zehn Westcoast-Rocksongs auf Anhieb eingängig und klingen sofort vertraut wie Klassiker, ihre wahre Qualität offenbaren sie aber erst bei wiederholtem und aufmerksamen Hören. Ein Akkordwechsel oder kleines Break hier, Chorgesang und Rhythmuswechsel da: Es steckt einiges in dieser Musik.
Ergreifend bis verschmitzt
Wie das klingt, kann man wunderbar in der zweiten Single „Shade“ zu diesem Album hören. Darin analysiert sie die Verhaltensweisen eines Narzissten, der seine Unsicherheiten durch Manipulation ausgleicht. Die Produktion von Paul Stacey ist eine Hommage an vergangene Epochen, wobei er auf jazzige Klavierarrangements und atmosphärische Klanglandschaften setzt. Weitere Anspieltipps des Albums sind die ergreifende Pianoballade „Trampoline“, das quirlige „Boys On Canvas“ und das verschmitzte „Shade“.
Diane Birch und die Lässigkeit
Aufgewachsen in einem religiösen Umfeld in Simbabwe und Südafrika und später als Gothic-Teenager in Portland, Oregon, hat Diane Birch eine breite Palette an Einflüssen in ihre Musik integriert. Sie mischt unverfroren Elemente aus 70er-Jahre-AM-Radio, Soul, Jazz, Classic Rock, 80er/90er-Pop und R&B zusammen und singt darüber mit ihrer mal weichen und geschmeidigen, mal rauen und kratzigen Stimme, die irgendwo zwischen Joni Mitchell, Ricki Lee Jones und Nerina Pallot liegt. In ihren Texten verarbeitet die 40-Jährige ihre Erfahrungen und Beobachtungen, um die Facetten des städtischen Lebens und des amerikanischen Traums zu hinterfragen und zu kritisieren.
Es ist aber vor allem diese Lässigkeit, mit der sich Birch durch ihre Songs bewegt, die begeistert. Sie muss sich mit ihrem Gesang nicht in den Vordergrund drängen. Sie kennt die Stärke ihrer Songs und gibt ihnen, was sie brauchen. Ein „The End“ ist diesmal leider nicht vertreten. Aber das darf man auch nicht erwarten. „Flying On Abraham“ ist trotzdem ein durchweg starkes Album geworden. Vor allem, wenn man ihm mehrere Hördurchgänge gibt.
„Flying On Abraham“ von Diane Birch erscheint am 12.04.2024 bei Légère Recordings/Broken Silence/Kudos Records. (Beitragsbild: Albumcover)