Nach dreizehn Jahren spielt der FC St. Pauli wieder in der 1. Fußball-Bundesliga. Mission Klassenerhalt mit Neu-Trainer Alexander Blessin
von Gérard Otremba
Zum Schluss der Saison 2023/24 hat es der FC St. Pauli nochmal unnötig spannend gemacht. Niederlagen in Karlsruhe, im Derby beim HSV und vor allem das 3:4 gegen Aufsteiger Elversberg, bei dem ausgerechnet die sonst so stabile Abwehr einen richtig schwachen Tag erwischte, ließen die Konkurrenz näher kommen. Am Ende der Zweitligasaison stand jedoch letztlich ein durchaus souveräner Aufstieg, der nach dem 3:1 im Heimspiel gegen Osnabrück gefeiert werden konnte, und mit dem Meistertitel am letzten Spieltag gekrönt worden ist. Man trug Trainer Fabian Hürzeler bei den Feierlichkeiten im Stadion auf den Händen. Endlich hatte der FC St. Pauli einen Mann an der Seitenlinie gefunden, der die Mannschaft über eine ganze Saison zur Höchstform trimmen konnte.
Mit Alexander Blessin in die Bundesliga
Nach der Inthronisierung Hürzelers im Dezember 2022 und einer famosen Rückrunde war die Hoffnung vor Saisonbeginn zumindest groß, den FC St. Pauli oben mitspielen sehen zu können, wie ich bei meiner Vorschau vor einem Jahr zum Ausdruck brachte. Als sich der Erfolgsgarant nach England in die Premier League verabschiedete, saß die menschliche Enttäuschung tief. Auch der Weggang von Top-Scorer Marcel Hartel in die USA war ein für mich, der Vereinstreue noch schätzt, nicht nachvollziehbarer Wechsel. Aber es hilft nicht, Vergangenem nachzutrauern. In Alexander Blessin hat der FC St. Pauli einen in Deutschland bisher weitgehend unbekannten Trainer geholt, der aber in Belgien mit Union Saint-Gilloise Vizemeister und Pokalsieger sowie zweimal Trainer des Jahres geworden ist. Mit seinem Engagement verändert sich die taktische Ausrichtung des Spiels der Kiezkicker in der 1. Bundesliga.
Systemwechsel beim FC St. Pauli
Unter Hürzeler dominierte das Team mit feinem Passspiel sowie viel Druck über die Flügel seine Kontrahenten und zwang ihnen sein Spiel auf. Kann man in dieser Form von einem noch so spielstarken Aufsteiger eine Etage höher kaum erwarten. Nachvollziehbar also, dass Alexander Blessin vermehrt auf das Umschaltspiel setzt. Allerdings geht mit dem System- auch ein Personalwechsel einher. Die in der 2. Liga auftrumpfenden Flügelstürmer Elias Saad und Oladapo Afolayan scheinen sich zunächst auf der Ersatzbank wiederzufinden, da Blessin eine zentrale Doppelspitze mit Johannes Eggestein und Neuverpflichtung Morgan Guilavogui bevorzugt. Nur hat man beim holprigen Start im DFB-Pokal in Halle gesehen, wie wertvoll die Zweitligaflügelzange noch ist, denn nach der Einwechslung von Saad und Afolayan kamen Schwung und die Wende ins Spiel des FC St. Pauli. Alexander Blessin kann also bis auf die in der Startelf zu erwartenden Guilavogiu und der Freiburg-Leihgabe Robert Wagner im Mittelfeld auf eine eingespielte Mannschaft zurückgreifen.
Die Aussichten für die 1. Bundesliga
Inwieweit die Aufstiegshelden die Mission Klassenerhalt besser hinbekommen als ihre Kollegen in der Saison 2010/11, als die Braun-Weißen letztmals im Oberhaus kickten, wird sich weisen. Wie ein Underdog die 1. Fußball-Bundesliga aufmischen kann, hat der 1.FC Heidenheim in der abgelaufenen Runde bewiesen. Nun, ein ähnlicher Erfolg wie das Erreichen der zweifelhaften Conference League muss ja nicht gleich im Aufstiegsjahr herausspringen, aber einen sofortigen Wiederabstieg wie vor dreizehn Jahren kann die Mannschaft verhindern. Es steht zu vermuten, dass mit Kiel, Heidenheim, Bochum und meiner Meinung nach auch Union Berlin und Augsburg (und vielleicht mit einem Überraschungsteam) der Kampf um die sicheren Plätze geführt werden muss.
In den ersten drei Partien trifft der FC St. Pauli just auf drei dieser Vereine (wobei Augsburg als GmbH und Co. KGaA fungiert, und also wie einige andere nur den 50+1-Vereinsschein wahrt), da heißt es gleich hellwach sein und wichtige Punkte sammeln. Ich zeige mich aber zuversichtlich und denke, dass das Team um Kapitän Jackson Irvine zum Saisonschluss den 12. Platz belegt. Einfach wird es nicht, aber machbar.
(Beitragsbild: Logo, FC St. Pauli)