Mit scharfem Blick und trockenem Witz malt Dennis Kiss die Welt in seinen eigenen Worten. Roh, echt und charmant schief genug, um hängen zu bleiben.
von Mia Lada-Klein
Nach seinem melancholischen Debüt „Norddeich Mole“, das noch nach salziger Luft, weiten Horizonten und Jugendträumen roch, zieht Dennis Kiss jetzt den Vorhang zu. Der Blick geht nicht mehr aufs Meer, sondern in die Nacht und die ist in Hamburg bekanntlich länger, lauter und ein bisschen verloren. Mit „Vielleicht für ein paar Stunden, doch ich bin nicht diese Person“ legt Dennis Kiss ein Album vor, das sich zwischen Kiezlichtern und Selbstzweifeln bewegt, zwischen Rausch und Realitätsflucht, zwischen Introspektion und Lärm.
Dennis Kiss: Nächte, die mehr wissen als der Tag
„Ich habe die Nacht gesehen“ eröffnet das Album unscheinbar, fast zu brav für einen Auftakt. „Kiezmond“ bringt etwas mehr Bewegung ins Dunkel. Plötzlich blitzt da etwas auf, das an die rohe Direktheit der Neuen Hamburger Schule erinnert: Tocotronic, Die Sterne, irgendwo dazwischen tanzt Dennis Kiss mit seiner ganz eigenen Unsicherheit. Zwischen Melancholie und Zynismus erzählt er vom Taumeln, vom Suchen nach Bedeutung im Lärm, und trifft damit erstaunlich oft ins Schwarze.
Großstadtmelancholie mit Kippe und Köpfchen
„Josephine“ flackert mit elektronischen Einsprengseln, während die Gitarren mal krachen, mal flirren. Hier wird ein bisschen mit Special-Effects gespielt, ein bisschen mit Emotionen, nie ganz geordnet, nie ganz kontrolliert, aber immer mit Haltung. Es ist kein Album, das beeindrucken will. Vielleicht will es vielmehr verstanden werden. So gut es eben geht. Und das gelingt, wenn man sich auf seine Texte einlässt: Zeilen, die wie beiläufig wirken, aber nachhallen, weil sie so ehrlich sind, dass sie wehtun.
Dennis Kiss erfindet das Rad nicht neu. Er schreibt, beobachtet, reflektiert. Und genau darin liegt auch der Zauber dieses Albums: in der Authentizität eines Künstlers, der sich weder in Nostalgie noch in Ironie flüchtet. „Vielleicht für ein paar Stunden, doch ich bin nicht diese Person“ ist wie eine nächtliche Bestandsaufnahme eines Getriebenen, rau, sensibel und genau richtig unperfekt.
Dennis Kiss veröffentlicht „Vielleicht für ein paar Stunden, doch ich bin nicht diese Person“ am 17. Oktober 2025 via Popup-Records. (Beitragsbild Sebastian Madej)
