David Byrne: American Utopia – Album Review

David Byrne by Jody Rogac

Das Streben der Menschen nach Glück

Es gibt Platten, von denen erwartet man, dass sie mehr bieten als Musik. Mehr als Schall und Sound, sondern einen Kommentar zur Welt, in der wir heute leben. Genau so etwas durfte man von dem neuen Album David Byrnes erwarten – und ein solches Album ist „American Utopia“ auch geworden. Doch anders, als viele erwartet hatten. Es ist das erste Soloalbum seit dem Jahr 2004 – und es wird begleitet von einer Lese- und Vortragstour mit dem Titel „Reasons to be cheerful“, in der Byrne den Menschen berichtet, wo und wie sich die Welt zum Positiven entwickelt hat: sei es bei einem Verkehrsprojekt in Bogotá oder in einer Bibliothek in einer Favela von Rio.

David Byrne American Utopia Albumcover Nonesuch Warner MusicDas Ganze klingt reichlich verrückt: Der große Postpunk-Skeptiker der Talking Heads – der Stücke wie „Burning Down The House“ geschrieben hat – will uns berichten, wie super alles läuft? Nun, so einfach ist es auch nicht. Und doch ist es so: Byrne beharrt auf dem Recht des Menschen, das Leben wundervoll zu finden – trotz oder gerade wegen den politischen Verwerfungen des 21. Jahrhunderts. Inklusive des amerikanischen Präsidenten Donald Trump. „Aus der Sicht von Hühnern, Schweinen und Eseln ist die Welt noch mal ein anderer Ort!“ So äußerte sich Byrne jüngst in einem Interview – und musiziert gegen den Frust der Menschen an. Dementsprechend klingt das neue Album: An manchen Stellen bietet es tanzbaren Elektro-Pop. Wie etwa bei „Everybody’s Coming To My House“, das erstaunlich luftig und unprätentiös daherkommt – erinnert man sich an die musikalische Geschichte Byrnes.

 „Wir gucken uns um, sehen die Welt, die wir geschaffen haben und fragen uns: Muss das alles so sein, geht es vielleicht auch anders?“ So formuliert es Byrne im Begleittext zu seinem Album – und darum geht es ihm wirklich: eine Utopie zu formulieren. Eine neue, positive amerikanische Utopie. Musikalisch geht der Musiker auf diesem Album zu den Wurzeln der Popmusik: Die Beatles, die Beach Boys sind als Referenzen in Hörweite, doch genauso ist es die karibische oder afrikanische Musikkultur. Manche Stücke dürften Fans von LCD Soundsystem gefallen, andere wegen ihrer Textzeilen, von denen „There’s only one way to smell a flower / But there’s millions of ways to be free“ zu den Schönsten gehört.

Das Streben der Menschen nach Glück, das ist seit „Once In A Lifetime“ ein Thema für David Byrne. Ein Stück wie „I Dance Like This“ bietet hier einen zeitgenössischen Kommentar. Und das ist das Herrliche an diesem Album: Es bietet mehr als Musik: „Vor vielen Jahren waren die USA ein großes Experiment … Die Vision dieses großen Experiments aber ist verloren gegangen. Und ich wünschte, sie würde zurückkommen“, so Byrne, der es offenbar geschafft hat, mit Mitte Sechzig nicht zum Zyniker zu werden. Und davon handelt dieses Album.

 „American Utopia“ bricht mit Stücken wie „Gasoline And Dirty Sheets“ oder „Every Day Is A Miracle“ eine Lanze für den Optimismus, für die Hoffnung, die ihm die Menschen gegeben haben, die Byrne getroffen hat. „Viele Dinge, die ich gefunden habe, beruhen auf den Initiativen kleiner Städte, Länder oder einzelner Menschen. Und oft sind sie entstanden, weil die Regierungen größerer Staaten versagt haben.“ Gemeinsam mit 25 Gastmusikern – darunter Brian Eno oder der junge Soul-Sänger Sampha – hat der New Yorker ein symbolhaftes Stück Musik aufgenommen, mischt Mambo, Rock, Afrobeat, Funk, Pop und zappeligen Talking Heads-New Wave zu einem intensiven Gegenentwurf zu dem, was uns heute umgibt. Zumeist heitere Musik, welche vor allem die ernste Frage stellt: Muss die Welt so sein, wie sie ist?

„American Utopia“ von David Byrne ist am 09.03.2018 bei Nonesuch / Warner Music erschienen (Beitragsbild: David Byrne by Jody Rogac).

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