Daniel Breuer: Grand Mal – Roman

In seinem eindrucksvollen zweiten Roman „Grand Mal“ entführt uns der Berliner Schriftsteller Daniel Breuer nach Chile

Mit einer Rückkehr beginnt der neue Roman von Daniel Breuer. Sein Protagonist Hugo Pfohlen möchte in einem neuen Teil einer erdbebenanfälligen chilenischen Küstenstadt, die er vor neunzehn Jahren verließ, ein Nagelstudio eröffnen. Das für diesen Zweck geeignete Haus am Hang gehörte einst den Eltern seines aus dem Iran stammenden langjährigen Freundes Eduardo, der es ihm nun vermacht hat. Gemeinsam mit Hugo Pfohlen sind die drei Frauen Irene, Maria und Nelly aus Chiles Hauptstadt Santiago ans Meer gereist, um mit ihm im Nagelstudio zu arbeiten. Besonders zu Irene pflegt Hugo eine vertrauliche Beziehung, seit er sie vor vielen Jahren, als er sich mit illegalem Medikamentenhandel das Studium finanzierte, von einem schweren Infekt heilte. Seit damals und noch immer trägt Irene Gefühle der Liebe für Hugo in sich, die von ihm nie im gleichen Maße erwidert worden sind, während Maria Irene liebt.

Superbe Charakterbeschreibungen

Daniel Breuer Grand Mal Cover VHV-Verlag

Nicht allein die zwischenmenschliche Konstellation erschwert die Zeit vor der Eröffnung, den Bewohnern des angesagten, „studentischen, alles in allem linken und touristisch emporstrebenden“ Ausgehviertels ist das Nagelstudio ein Dorn im Auge und auch die Natur scheint sich gegen das Quartett verschworen zu haben. Es spielen sich dementsprechend reichlich viele Dramen ab in diesem von Kulturbeflissenheit nur so strotzendem Roman, der sich außerdem durch superbe Charakterbeschreibungen auszeichnet. Allen voran natürlich ist hier die Figur des deutschstämmigen Hugo Pfohlen zu nennen, dessen Großvater mit Salpeter zu Reichtum gekommen war. Dieser an Epilepsie-Anfällen leidende, von Hölderlins „Hyperion“ beeinflusste, für die Kunst der Surrealisten, bevorzugt die von  André Breton – an dessen Todestag Pfohlen das Licht der Welt erblickte –  und Georges Bataille, schwärmende, „immer schon ein außergewöhnlich schöner Mann“ gewesene Hugo Pfohlen, der im Wechsel aus Charme und Großzügigkeit sowie Schlichtheit und Abstoßung von „überwältigender Anziehungskraft“ auf Frauen gesegnet ist.

Daniel Breuer lässt Sinn für schwarzen Humor erkennen

Nicht minder bemerkenswerte Lebenswege bestritten indes die vom schlimmen Herpes geplagte und zwei Fehlgeburten erlittene Irene sowie der sich einen Kampfhahn züchtende, als Romancier versuchende und  offensichtlich in einer Midlife Crisis befindliche Poesieliebhaber und Arzt Eduardo Gorgani. Aber auch die Feministin Maria und die „fette“ Nelly, laut Maria „ein Zeitbombe ohne Zünder“, halten als relevante Nebenfiguren das Interesse der Leser an der Story hoch. Diese Lebensentwürfe erzählt Daniel Breuer in eingeschobenen Rückblenden. Der 1977 in Teheran geborene, in Santiago de Chile, Istanbul und Brüssel aufgewachsene und in Berlin lebende Autor schreibt mit intellektueller Weitsicht und stilistischer Tiefenschärfe. Daniel Breuer lässt einen Sinn für schwarzen Humor durchblicken und bettet, ähnlich wie im Kult-Film „The Big Lebowski“, einen verunreinigten Teppich in die Geschichte ein. Ein eindrucksvoller Roman über Freundschaft, das Scheitern, das Wiederaufstehen und das Weitermachen. Nur 200 Seiten lang, aber prall wie das Leben dieser Welt.

Daniel Breuer: „ Grand Mal“, VHV-Verlag, Klappenbroschur, 204 Seiten, 978-3-948574-04-8, 17 Euro. (Beitragsbild: Pressefoto)

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