Crowded House, das war schon immer die Band der Finns – zuletzt sogar ein generationenübergreifendes Projekt. Aber tut die familiäre Heimeligkeit dem neuen Album gut?
von Werner Herpell
Seit ein paar Jahren funktionieren Crowded House de facto als Familienunternehmen. Vater Neil Finn sowie die Söhne Elroy und Liam sind fest an Bord der „Down Under Beatles“. Neils Ehefrau Sharon und Bruder Tim, beide schon früher immer mal mit dabei, steuern für das neue Album „Gravity Stairs“ einige „additional vocals“ bei. Producer-Legende Mitchell Froom (Keyboards) und Gründungsmitglied Nick Seymour (Bass) vervollständigen das aktuelle Line-up.
Crowded House: Ein musikalischer Stuhlkreis
Klingt heimelig, nach einer Art musikalischem Stuhlkreis mit lauter Verwandten und
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engen Buddys? Ja, und so ist dann auch die Platte: liebevoll zusammengesetzt, freundlich, harmonisch – aber ein bisschen zu gemütlich und etwas harmlos.
Treibende Kraft hinter der 1985 gegründeten (und 2007 wiederbelebten) australisch-neuseeländischen Band war und ist Neil Finn, ein begnadeter Multiinstrumentalist, Sänger und Songwriter, (fast) auf der Höhe seines großen Vorbildes Paul McCartney. Und so wie dieser die Mehrzahl der supermelodischen Beatles-Liedern verantwortete, so ist auch der mittlerweile 66-jährige Crowded-House-Boss ein Komponist des Schönklangs, der nur erstaunlich selten ins Banale oder Oberflächliche abrutscht.
Neil Finn war schon mal weiter
Das passiert auch auf „Gravity Stairs“ nicht, allerdings hat man perfekte Harmony-Pop-Songs wie „Oh Hi“, „Thirsty“ oder „Blurry Grass“ schon allzu häufig gehört – sowohl von dieser hochverdienten Band als auch von anderen Beatles-Gefolgsleuten. „Some Greater Plan (For Claire)“ mit einem Bouzouki-Arrangement mündet dann doch in den Kitsch. Bei großartigen, innovativen Artpop-Alben unter eigenem Namen wie dem Solo-Debüt „Try Whistling This“ (1998) oder „Lightsleeper“ (2018, zusammen mit Sohn Liam) war Neil Finn schon mal weiter.
Um kein Missverständnis zu riskieren: Natürlich ist „Gravity Stairs“ keine schwache Crowded-House-Platte (die gibt es eigentlich auch nicht seit dem selbstbetitelten Debüt von 1986 mit dem Single-Welthit „Don’t Dream It’s Over“). Aber eben leider auch keine herausragende wie die vor Energie und Einfallsreichtum nur so berstenden Karriere-Highlights „Woodface“ (1991) und „Together Alone“ (1993); auch der direkte Vorgänger „Dreamers Are Waiting“ hatte mehr zu bieten.
Einige Juwelen – und ein hübsches Cover
Mit dem herrlich beatlesken Opener „Magic Piano“, dem anschließenden potenziellen Sommerhit „Teenage Summer“, dem komplexen „I Can’t Keep Up With You“ und dem ähnlich verschachtelten, jazzigen „Night Song“ am Schluss enthält das neue Album immer noch ein paar echte Juwelen, aber man muss zwischendurch auch mal etwas Leerlauf und „Malen nach Zahlen“ in Kauf nehmen. In der Zwischenzeit bleibt dann mehr Muße, sich dem an die Beatles (na klar!) angelehnten Albumcover zu widmen – einer hübschen Crowded-House-Version des 1966er „Revolver“-Artworks von Klaus Voormann.
Für die Familie Finn mit Eltern, Kindern und Enkeln ist die aktuelle Ausgabe von Crowded House wohl ein Glücksfall – inklusive gemeinsamer Touren. Laut Frontmann Neil funktioniert das Quintett auch im Studio durchaus auf Augenhöhe: „Everyone’s got things to bring to the table in terms of songwriting, arrangement and perspective“, sagte er gerade erst der neuseeländischen „The Press“. Das finde er ziemlich aufregend, weil die Band nun „a bigger, broader vehicle“ sei.
Crowded House – in Zukunft wieder mit Risiko?
Neil Finns Fazit: „Ich freue mich auf die Zukunft von Crowded House.” Grundsätzlich überhaupt keine Einwände (besonders Live-Auftritte in Deutschland wären mal wieder eine feine Sache). Aber ein bisschen mehr Mut zum Risiko dürfte beim nächsten Mal schon sein.
Das Album „Gravity Stairs“ von Crowded House erscheint am 31.05.2024 bei Lester Records/BMG Rights. (Beitragsbild: Albumcover)