Cowboy Junkies live in Hamburg

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Erhabene Schönheit

von Gérard Otremba

Sie fielen damals jenseits aus Raum und Zeit, die Cowboy Junkies, als sie die Musikverrückten dieser Welt 1988 mit „The Trinity Session“ entzückten. Im Jahr zuvor in der „Church of Holy Trinity“ in Toronto aufgenommen, verblüfften die kanadischen Geschwister Margo, Michael und Peter Timmins durch einen entrückten, leisen und langsamen Vortrag ihrer Songs. Es hatte etwas Gespenstisches und Berührendes, wie sie „I’m So Lonesome I Could Cry“ von Hank Williams und besonders „Sweet Jane“ von Lou Reed aufs Minimalistische reduzierten. Die Entdeckung der Stille im Pop und Blues trieben sie mit eigenen Kompositionen wie „Misguided Angel“ und „Walking After Midnight“ ebenfalls voran. Ein Sammelsurium von herzergreifend traurigen Songs, dem zwei Jahre später mit „The Caution Horses“ ein Album mit zehn weiteren folgen sollte. Die Platte enthielt mit „Sun Comes Up, It’s Tuesday Morning“ und, „Where Are You Tonight?“ zwei der schönsten Songs in der Karriere der Cowboy Junkies. Und ihre andächtige Slowmotion-Version von Neil Youngs „Powderfinger“ ließ einen sowieso vollkommen sprachlos vor Verwunderung zurück.

Die Cowboy Junkies verbreiten eine zart-dunkle Stimmung, trotz Gitarrensoli

Kein Wunder also, daß beim Konzert der Cowboy Junkies in der Hamburger Fabrik die Farbe Schwarz Trumpf ist, von der Kleidung der beteiligten Musiker, über die Tischdecke, auf der immerhin ein herbstlicher Blumenstrauß so etwas wie Optimismus verbreitet, bis hin zum Fingernagellack von Margo Timmins. Nun hat sich in der musikalischen Entwicklung der Cowboy Junkies in den letzten Jahren durchaus etwas getan, neue Songs erhielten Ecken und Kanten, was man im ersten Teil des Auftritts auch merkt. Die Cowboy Junkies konzentrieren sich hier auf Lieder ihrer drei zu „The Nomad Series“ gehörenden und in den letzten eineinhalb Jahren veröffentlichten Alben „Renmin Park“, „Demons“ und „Sing In My Meadow“. Doch trotz der diversen Gitarrensoli von Michael Timmins, überwiegt die gewohnte zart-dunkle Stimmung, die die Cowboy Junkies mit ihrer Musik nun mal verbreiten. Da können die Gitarren von Michael Timmins und die Harp von Jeff Bird, begleitet vom Alan Anton am Bass und Peter Timmins am Schlagzeug, in den Blues orientierten Stücken noch so sehr um die Wette heulen, fröhlich wird das alles bei den Cowboy Junkies nicht mehr.

Margo Timmins brilliert mit ihrem Gesang, an Patti Smith und Emmylou Harris erinnernd

Im Mittelpunkt dieses Abends aber steht zweifellos Sängerin Margo Timmins, die mit ihrer Aura, ihrem Gestus und ihrem Gesang wahlweise an Patti Smith, Emmylou Harris oder Kate und Anna McGarrigle erinnert. Faszinierend ihre hochkonzentrierte und präzise Gesangsleistung, das perfekte Timing. Außerdem verkörpert Margo Timmins Verführung und Unnahbarkeit zugleich. Egal, ob während dieser ganz wunderbaren Vic Chesnutt-Coverversion „See You Around“ oder bei „Late Night Blues“, einen an Giant Sand mahnenden Dessert-Noir-Blues, Margo Timmins haucht, säuselt und schmachtet hingebungsvoll. Zum Dahinschmelzen gerät „Renmin Park“, es scheint, als ob alle im Raum anwesenden Personen den Atem anhielten, ruhiger und beeindruckender hätten die Cowboy Junkies den ersten Konzertpart nach einer guten Stunde nicht abschließen können. Das Publikum liegt Margo Timmins längst zu Füßen.

Die Cowboy Junkies zelebrieren erhabene Schönheit

Nach einer halbstündigen Pause eröffnen die Kanadier den zweiten Teil des Abends mit „Sweet Jane“, eine aufwühlende blues-jazzige Interpretation, sofort hält Margo Timmins wieder alle Fäden in der Hand und zieht die Aufmerksamkeit auf sich. Mit dem anschließenden „Dreaming My Dreams With You“ entdecken sie wieder die Stille und Langsamkeit. Aus der Fülle der nachfolgenden, ganz famosen Songs, ragt „Spiral Down“ heraus. So viele Tränen kann man gar nicht vergießen, wie man möchte. Margo Timmins zelebriert die hohe Kunst erhabener Schönheit. Mit „Don’t Let It Bring You Down“ von Neil Young verabschieden dich die Cowboy Junkies vom Publikum, bevor sie für die Zugaben „Walking After Midnight“ und „Powderfinger“, wieder Onkel Neil, noch einmal die Bühne betreten. Nach gut zwei Stunden und 15 Minuten beenden die Cowboy Junkies das Konzert mit der wahrscheinlich langsamsten, aber ultimativsten Live-Coverversion von „Powderfinger“, die man jemals gehört hat. Akustische Gitarre, Mandoline und die leise Stimme von Margo Timmins, mehr braucht es nicht zur traurigen Glückseligkeit. Die Cowboy Junkies bescheren dem Hamburger Publikum einen unvergeßlich schönen Abend. Baldige Wiederholung erwünscht.

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