Erleichterung und Lebensfreude: Nach einem Krebs-Schock wendet sich die US-Folkrock-Ikone Chuck Prophet der kolumbianischen Cumbia zu.
von Werner Herpell
Was kann es für einen Musiker nach Krebsdiagnose und Heilung Besseres geben, als ein Album mit fröhlich-optimistischen Songs aufzunehmen? Eine Platte als Feier des (Weiter-)Lebens gewissermaßen, die dann ruhig, etwas makaber, „Wake The Dead“ heißen darf. Das dachte sich auch die Psychedelic- und Folk-Ikone Chuck Prophet – und der 61-Jährige lässt dem Schock und der Erleichterung nun ein Album folgen, das seiner besonderen Sorte von Americana und Gitarrenrock ganz viel Cumbia beimischt. Also den bunt schillernden, rhythmusbetonten kolumbianischen Stil, der schon so einige für südamerikanische Musik offene Künstler inspirierte, beispielsweise Calexico, Xixa oder Los Lobos.
Von Cumbia „aus meinem Blues geholt“
Nachdem er also 2022 an (einem letztlich behandelbaren) Lymphdrüsenkrebs erkrankt war, habe ihn „diese Musik echt aus meinem Blues geholt“, erzählt der Paisley-Underground-Pionier Prophet (mit Green On Red in den 80er-Jahren und später auch solo) im „Sounds & Books“-Interview des Kollegen Ullrich Maurer. „Ich bin ja nun wirklich kein Cumbia-Experte. Manche Leute sagen, dass es in Peru begann, andere meinen, es käme aus Afrika. Für mich ist das aber egal, denn es ist ein einziges Abenteuer.“
Mag der gebürtige Kalifornier auch kein ausgewiesener Cumbia-Experte sein – einen engen Bezug dazu hatte er vor den Aufnahmen von „Wake The Dead“ durchaus. Er sei „immer schon an Cumbia-Musik interessiert“ gewesen, sagt Chuck Prophet. „Während der Pandemie gab es eine Radio-Show, und weil ich damals nicht touren konnte, gerade keine Songs schrieb, proben oder das nächste Projekt vorbereiten musste, habe ich mich mit dieser Art von Musik beschäftigt, denn ich habe ja allgemein einen gesunden Appetit auf Musik. Es fing an mit einer LP namens ‚Roots Of XiXa‘ an – einer Cumbia-Kompilation, die bei vielen meiner Freunde ziemlich populär war. Diese Art von Musik enthält so viele Elemente, ein bisschen Dick Dale, ein bisschen Afrikanisches, Latin, ich kann das gar nicht genau sagen. Das fand ich cool.“
Verstärkung für The Mission Express
Cool wie eigentlich fast alles von Chuck Prophet ist nun auch dieses Album, das sich von den stets soliden bis sehr guten Werken der vergangenen 25 Solo-Jahre (zuletzt 2020 „The Land That Time Forgot“) gleichwohl deutlich unterscheidet. Der Sänger und Gitarrist spielte die meisten Songs nämlich nicht alleine mit seiner bewährten Band The Mission Express ein, sondern auch mit einer kolumbianischen Kombo unter dem seltsamen Namen ¿Qiensave?.
„Mein Plan ist, mit dieser Cumbia-Band auf der ganzen Welt aufzutreten, und ich werde dann mal sehen, was daraus wird“, berichtet Prophet im S&B-Interview über seine Pläne. „Die Band besteht dann aus zwei Mitgliedern von The Mission Express, zwei Jungs von ¿Qiensave?, einem Bassisten aus Mexico-City und mir selbst. Ich muss aber noch schauen, ob ich die älteren Tracks dann auch in Richtung Cumbia spiele. Angedacht ist es – aber das wird sich dann zeigen, wenn wir unterwegs sind.“
Chuck Prophet ist jetzt „sogar ein bisschen netter“
Ohne die Cumbia-Jungs kommen drei der insgesamt elf Tracks von „Wake The Dead“ aus: der im Latin-Modus groovende Titelsong und Opener, die hübsche Fifties-Pop-Ballade „One Lie For Me, One For You“ und der nachdenkliche, vermutlich von der lebensbedrohlichen Krankheit geprägte Closer „It’s A Good Day To Be Alive“. Als „Schnappschüsse vom Augenblick“ bezeichnet Chuck Prophet sein Songwriting – und demnach scheint es ihm derzeit wieder richtig gut zu gehen. „Ich bin vielleicht heutzutage sogar ein bisschen netter als früher – aber ansonsten bin ich ganz der Alte“, sagt er im Interview. Eine erfreuliche Nachricht, einhergehend mit toller neuer Musik.
Das Album „Wake The Dead“ von Chuck Prophet mit ¿Qiensave? erscheint am 25.10.2024 bei Yep Roc Records. (Beitragsbild von Kory Thibeault)