Charly Hübner: „Wenn du wüsstest, was ich weiß…“

Charly Hübner Wenn du wüsstest was ich weiß Buchcover Surkamp Verlag

Auf 120 Seiten huldigt Charly Hübner seinem Lieblingsautor Uwe Johnson mit einem Mix aus Biografie, Sprachanalyse und Liebesbrief

von Sebastian Meißner

Charly Hübner ist ein Mann der Leidenschaft. Das betrifft einerseits seine eigene Arbeit, andererseits aber auch die von anderen. Immer wieder tritt er als Fürsprecher und Fan anderer Menschen und ihrer Arbeit in Erscheinung – etwa zur Band Motörhead oder zu Monchi, dem Frontmann von Feine Sahne Fisch Filet. Jetzt hat Charly Hübner über seinen Lieblingsautor Uwe Johnson ein Buch geschrieben, das er selbst als „kleinen Jubeltext“ oder „Hommage“ bezeichnet. Und auch dieses Unterfangen ist von mitreißender Leidenschaft dominiert. „Bewunderung ist etwas, dem ich eigentlich sehr zweifelnd gegenüberstehe (…) Im Falle Uwe Johnson aber setzt in mir in der Regel der Fluchtimpuls Richtung Bewunderung ein, da ich es mit meinen interpretatorischen Fähigkeiten einfach nicht zusammenkriege, wie fein, schlau, brutal, episch, kompliziert, souverän, arrogant und empfindsam Johnson sein Erzählen komponierte und ausführte“, schreibt Hübner gleich zu Beginn dieses Buches.

Eigentlich nur Fan

Charly Hübner Wenn du wüsstest was ich weiß Buchcover Surkamp Verlag

Auf knapp 120 Seiten erzählt Charly Hübner launig, nahbar und ungekünstelt, warum gerade Uwe Johnson auf ihn eine solche Faszination ausübt. „Ich bin weder Literaturwissenschaftler noch Biograf, eigentlich eben nur Fan“, begründet Hübner, warum er seine Begeisterung mehr aus persönlicher Überzeugung denn aus objektiven Fakten begründet. Hübner verbindet die Würdigung Johnsons und insbesondere seiner „Jahrestage“ immer wieder mit seiner eigenen Biografie und erzählt zum Beispiel, wie die Lektüre der mehrbändigen Familienchronik „Jahrestage“ auf den in Neustrelitz geborenen Teenager Hübner eine massive Anziehung ausgeübt habe.

Wie kein anderes Buch haben ihn die „Jahrestage“ für seine eigene Situation als Jugendlicher in der DDR sensibilisiert (immerhin spielte der Großteil der erzählten Geschichte in Mecklenburg) und für den eigenen Lebenstraum ermutigt und vorbereitet. Zuvor sei er stark von Hans Fallada geprägt gewesen. Aber Johnson „hatte mich sofort“. Dabei sei ihm die Sprache anfangs nicht leicht zugänglich gewesen. Im Vergleich zu Fallada wirkte sie auf Charly Hübner sperrig, fordernd und verdreht im Satzbau. Auch das Erzählte habe Hübner aufwendiger in seinem Lesekopf sortieren müssen. Doch hinter dieser Absperrung lauert das Wesentliche. Die „Jahrestage“ seien für Hübner Weltliteratur aus der Heimat, „quasi um die Ecke“. Und damit Identifikations- wie Inspirationsobjekt.

Charly Hübner und die „Jahrestage“

Johnson wäre in diesem Jahr 90 geworden. Gleichzeitig jährt sich 2024 sein Todestag zum 40. Mal. In den kommenden Wochen finden die Kommunalwahlen in den ostdeutschen Ländern statt. Für Hübner sind das alles Anlässe, sich Uwe Johnson (mal) wieder zu widmen. Sein Ansatz, anderen und sich selbst schreibend die Liebe zu einem Autor zu erklären, geht voll auf. Wer Hübners Leidenschaft für Johnson teilt, wird ebenso abgeholt wie jene, denen Johnson noch gänzlich unbekannt ist. Dieses Buch jedenfalls macht Lust, die „Jahrestage“ zu lesen. Und wer sich den dicken Schicken selbst nicht zutraut: Erst kürzlich hat Hübner die „Jahrestage“ gemeinsam mit Moderatorin Caren Miosga als Hörbuch eingelesen.

Charly Hübner: „Wenn du wüsstest, was ich weiß…“, Suhrkamp Verlag, Hardcover, 125 Seiten, 978-3-518-47433-4, 20 Euro. (Beitragsbild: Buchcover)

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