Er ist einer der Stillen im Indie-Folk-Lager – aber dabei vergleichsweise enorm erfolgreich. Bewahrt auch die vierte Platte von Charlie Cunningham den Zauber?
von Werner Herpell
Sein Songwriting: angenehm zurückhaltend. Seine Gesang: scheu bis schüchtern. Sein Sound: sanft und unspektakulär. Aber schaut man aufs Streaming, dann sind das Zahlen, nach denen sich auch vermeintlich „größere“ Musiker die Finger lecken würden. Und es verwundert ebenso, dass dieser Charlie Cunningham nicht nur in der Heimat, sondern auch in Deutschland beachtliche Venues füllt. In diesem April sind es unter anderem der Große Saal der Hamburger Laeiszhalle, die Kölner Philharmonie und der Berliner Admiralspalast, die der Brite mit Gesang, Gitarre und Klavier bespielt.
Ein echtes Internet-Phänomen
Eine Begleitband wäre dann angesichts der reduzierten neuen Cunningham-Platte „In Light“ im Prinzip
gar nicht nötig, und die Zuschauer würden ihren Charlie vermutlich auch solo anhimmeln. Ein echtes Internet-Phänomen ist also dieser 1984 in London geborene Singer-Songwriter, „denn eine knappe halbe Milliarde Streams pflastern seinen Weg und ausverkaufte Konzerte ebenso“, wie ein freundlicher PR-Mensch mir kürzlich, selbst erstaunt, auf den Weg zu dieser Review mitgab.
Die immer irgendwie zerbrechlich klingenden, oft ins Falsett driftenden Vocals mögen beim Hörer einen Beschützerinstinkt auslösen, Cunninghams Gitarrenspiel ist gelegentlich vom Flamenco durchdrungen (gut hörbar etwa in „Core“) und hat dann ein gewisses exotisches Alleinstellungsmerkmal in der englischen Indie-Szene. Aber ein bisschen schleierhaft bleibt auch mit dem vierten Album, warum dieser Musiker so viel mehr Erfolg hat als andere talentierte Songwriter mit Gitarre. Was gar nichts über die Qualität seiner Lieder aussagt, die haben durchaus ihren Reiz.