Cat Lion serviert Country-Pop österreichischer Prägung und bleibt dabei leider etwas zu bieder.
von Sven Weiss
In jüngster Zeit erschienen einige Alben, die den Versuch unternehmen, das reichlich angestaubte Country-Genre nicht nur mit neuen Impulsen aufzufrischen, sondern durch oftmals radikal neue Blickwinkel schlichtweg auf den Kopf zu stellen. Man denke zum Beispiel an das erst vor wenigen Wochen erschienene „Send A Prayer My Way“ der beiden Indie-Ikonen Torres und Julien Baker. Ein Album, das das traditionell erzkonservative Genre aus queer-feministischer Perspektive angeht. Oder natürlich an Beyoncés Chartbreaker „Cowboy Carter“ aus dem letzten Jahr, das die kulturellen Wurzeln der Musik neu beleuchtet und dabei die weiße Dominanz im Genre infrage stellt. Zwei starke Statements, die durch ihre Chuzpe ebenso wie durch die gelungene musikalische Umsetzung überzeugen und dadurch scheinbar fest zementierte Genregesetze dekonstruieren.
Cat Lion: Deutsch-österreichischer Country in großen Fußstapfen
Eine ähnliche Mission verfolgt nach eigener Aussage auch Clara Löw alias Cat Lion. Die heute in Bayern lebende Österreicherin hat sich zum Ziel gesetzt, „althergebrachte Traditionen zu entstauben, Genre-Stereotype aufzubrechen und die Country Music auf eine moderne Art für ein generationsübergreifendes Publikum zu öffnen.“ Der Vergleich mit Beyoncé – wenn auch nur vorsichtig angedeutet – tut Cat Lion jedoch nicht gut. Die Schuhe sind definitiv einige Nummern zu groß. Was Cat Lion auf ihrem Debütalbum serviert, ist Countrypop Garth-Brooks‘scher Prägung. Und der ist – trotz seiner Popattitüde – alles andere als progressiv.
Die Songs von „On My Cloud“ entstanden in den renommierten Sound Emporium Studios in Nashville, wo die Österreicherin eine ganze Riege an prominenten Hired Guns versammelte. Nur wenige Takes habe es für die jeweiligen Songs gebraucht. Man spürt die Profis am Werk, das ist alles sauber produziert, aber eben auch ein ganz klein wenig zu glatt.
Sauber produziert, doch mit einigen Fragezeichen
Die Wahl des Openers hinterlässt ebenfalls ein Fragezeichen. „Two Lives“ verfügt zwar über einen durchaus eingängigen Refrain, aber irgendetwas scheint hier nicht zu stimmen. Es fühlt sich an, als sei eine Handbremse angezogen, auch wenn man nicht recht festmachen kann wo. Das wird umso deutlicher, wenn der zweite Song „Upside Down, Inside Out“ mit einem dermaßen coolen Lick reinkickt und dem Album quasi einen verspäteten Tritt in den Hintern verpasst. Ein Song mit Mitsingqualität, der sich garantiert bestens als Stimmungsmacher bei Konzerten eignet. Geht doch!
Das Hauptproblem des Albums ist aber weder der etwas zu glatte Sound noch die Perfektion der Musiker, sondern leider die Sängerin herself. Denn die kommt ebenfalls mit einer Art eingebauter Handbremse daher. Die Begeisterung, die Clara Löw nach eigener Aussage seit Kindesbeinen für die Welt der Cowboys in sich trägt, ist zu keiner Sekunde zu spüren. Dass sie halt mehr nach Voralpenland klingt als nach Nashville – geschenkt. Aber etwas mehr Pfeffer würde dem Ganzen extrem guttun.
Macht Cat Lion den nächsten Schritt?
So ist es keine Überraschung, dass das zweite Highlight neben „Upside Down, Inside Out“ ausgerechnet der ruhige Closer des Albums ist. „Not Too Late“ ist eine versöhnliche Nummer, dessen Titel man als Aufforderung verstehen kann. Denn Potenzial ist bei Cat Lion vorhanden. Wenn sie den nächsten Schritt tut, könnte sie irgendwann mal die Speerspitze der deutschen Countryszene werden. Spricht ja nix dagegen, schon mal zu schauen, wie es Beyoncé & Co. angestellt haben.
„On My Cloud“ von Cat Lion erscheint am 30.05.2025 bei My Redemption Records / Cargo. (Beitragsbild von Chris Gütl)