Brutus: Unison Life – Albumreview

Brutus by Eva Vlonk

Das neue Brutus-Album „Unison Life“ erweist sich als eine Offenbarung

Man kann daran zweifeln, ob es eine besonders weitsichtige Entscheidung war von Drummerin & Sängerin (!) Stephanie Mannaerts, Bassist Peter Mulders und Gitarrist Stijn Vanhoegaerden, ihrer Formation einen Namen zu geben, den sie mit etlichen anderen auf diesem Planeten teilen. Doch trotz des bei Szenegängern nicht gerade kleinen Renommees der gleichnamigen niederländischen Death Metaller (existieren seit 2000) sowie der schwedisch/norwegischen Classic Rock Band (gegründet 2007) verweist einen nicht nur Google gegenwärtig primär und oft einzig auf die hier vorgestellten Belgier, die seit 2013 sowie zwei durchweg euphorisch besprochenen Studioalben den Namen für sich reklamieren. Das wird sich nach Veröffentlichung des dritten Drehers „Unison Life“ nicht ändern, ganz im Gegenteil.

Kognitive Dissonanz

Brutus Unison Life Cover Hassle Records

„Unison Life“ verfeinert die lieb gewonnenen Trademarks und behauptet seinen solitären Platz in der Welt des harten Rock, der fern aller Klischees mit Verletzlichkeit, Hingabe oder Originalität punktet. „Harter Rock“ – das bedeutet in diesem Fall die Energie und Deutlichkeit des Punk sowie dessen „Anything goes“-Mentalität, die Raserei von Hardcore oder zuweilen sogar Black Metal sowie die Klangeskapaden des Post-Rock, der bei Brutus so tönt als wären deutlich mehr als drei Menschen im Studio oder auf der Bühne. Dabei werden Themen angesprochen, die sich von persönlichen Empfindungen, Ängsten oder Abgrenzungen ausgehend leicht gesellschaftlich hochrechnen lassen, weil nicht nur das Trio aus Belgien sich Gedanken macht über kognitive Dissonanz oder die Frage nach einem guten Leben im schlechten.

Nahtlose Fortführung zur Perfektion

Musikalisch führt „Unison Life“ den Weg der bereits superben Vorgänger „Burst“ (2017) sowie „Nest“ (2019) fort – die fesselnde Dynamik ihrer Stücke wird bei der Neuerscheinung jedoch perfektioniert, nicht nur in einzelnen Songs, sondern ebenso beim Album als Ganzes. Stephanie Mannaerts gab im Vorfeld zu Protokoll, dass „jeder Song sich anhören sollte, als wäre es der letzte, den wir je geschrieben haben“ – ein wenig half die Pandemie dabei, die den tourfreudigen Dreier harsch ausbremste aber dafür eben mehr Luft bot zum gemeinsamen Tüfteln, Ausprobieren und Rumhängen. Auch Mannaerts Stimme wirkt in zarten Momenten zarter und in aufbrausenden umso leidenschaftlicher – nicht, dass die gleichzeitig singende wie trommelnde Musikerin nicht bereits in der Vergangenheit diesbezüglich beeindruckt hätte.

Das Arbeitsmaterial von Brutus

Wie eine ganze Gitarrenarmee aus unterschiedlichsten Modellen klingt darüber hinaus das Arbeitsmaterial von Vanhoegaerden – manchmal mag man The Cure oder Pink Floyd als Einfluss heraus hören, aktuellen Post-Punk oder gar vom Death Metal geborgte Riffs. Der Mann, dessen Hörgewohnheiten eigentlich vom Classic-Rock bzw. sogar Country geschult sind, liefert kontinuierlich ab, ein Höllenritt für Freunde laut wie divers gespielter elektrischer Gitarre. Anspieltipps gibt es eigentlich nicht, obwohl es mir persönlich die vorab veröffentlichte „Ballade“ „What Have We Done“ ganz besonders angetan hat. Das ganze Album ist allerdings ein Brett, ein Knaller, eine Offenbarung sowie das perfekte Gegenbeispiel für die häufig vertretenen Thesen, Rockmusik wäre inzwischen durch, gestrig oder misogyn. Platte des Jahres bisher, was soll da bitte noch kommen (außer Brutus live – Anfang 2023).

„Unison Life“ von Brutus erscheint am 21.10.2022 bei Hassle Records / Cargo Records. (Beitragsbild von Eva Vlonk)

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