Bruce Springsteen live in München 2016 – Konzertreview

Und wieder ein denkwürdiger Bruce Springsteen-Auftritt im Münchner Olympiastadion

von Gérard Otremba (Beitragsbild: Sony Music)

Nach gut einem Drittel des Konzertes hält Bruce Springsteen kurz inne und erinnert sich an seinen letzten Gig in München. Es war im Mai 2013 und es war wettertechnisch kein schöner Abend. „I frozen my ass“, resümiert Springsteen diesen für ihn und das Publikum denkwürdigen Auftritt. Es regnete, es windete, aber die tapfer ausharrenden Fans sind damals mit dem kompletten „Born In The U.S.A.“-Album belohnt worden. Immerhin, es war das einzige der vier Deutschland-Konzerte, bei dem er einer seiner berühmten Platten in gewohnter Albumreihenfolge spielte. Der 1984 veröffentlichte Megaseller Springsteens und München scheinen eine innige Verbindung einzugehen, denn auch am 17.06.2016 stehen immerhin noch sieben Songs seines Mainstream-Durchbruchs auf der Setlist, obwohl es die The River-Tour ist, doch hat Springsteen nur in den Staaten das Doppel-Album in voller Länge aufgeführt, in Europa weicht er von diesem Konzept ab.

Diesmal scheint Springsteen jedoch die Münchner Abendsonne ins Gesicht und auch die Temperaturen bescheren einen optimalen Open-Air-Genuss. An sechster Stelle spielt der 66-Jährige mit „No Surrender“ das erste Born In The U.S.A.-Stück dieses Abends, im zweiten Anlauf klappt es auch, Bruce Springsteen und seine E Street Band sind da schon längst im Rausch, beginnen das erste von zwei Deutschlandkonzerten (am Sonntag gastiert der Tross im Berliner Olympiastadion) als ob es kein Morgen für sie gäbe. Um 19.10 Uhr betreten „The Boss“ und seine Band die Bühne des Olympiastadions, Springsteen stürzt sich sofort ins das langgezogene Gitarren-Intro von „Prove It All Night“, dann noch das Saxaphon-Solo von Jake Clemons und das Gitarren-Solo vom alten Piraten und Zeremonienmeister Steven Van Zandt und die Menge steht Kopf.

Von der ersten Minute an entfacht Springsteen einen sagenhaften Furor, lässt ein gewohnt dynamisches „Badlands“ folgen, setzt also zwei seiner zehn besten Karrieresongs an den Konzertanfang. Die enorme Schlagzahl wird mit „Out On The Streets“, „Sherry Darling“ und „Two Hearts“ gehalten, bei „Hungry Heart“ umkurvt Bruce Springsteen den Front-Of-Stage-Bereich und beehrt die „zweite“ Reihe mit seiner Anwesenheit. Längst wird der Mann aus New Jersey von seinen Fans kultig verehrt, alle in den ersten Reihen wollen einen Abklatscher, und davon verteilt der „Boss“ jede Menge. Der Star zum Anfassen. Der Star, der den Rock’n’Roll live wie kein anderer lebt. Der nach dem Partykracher „You Can Look (But You Better Not Touch)“ den ernsten Stampfer „Death To My Hometown“ vom Wrecking Ball-Album offeriert und anschließend das todtraurige und immer noch zutiefst bewegende „My Hometown“ spielt.

„Johnny 99“ erschallt im Honky Tonk-Rhythmus, Roy Bittan darf sich am Piano auszeichnen, Soozie Tyrell an der Geige. Den brachialen Rocksongs „Youngstown“ und „Murder Incorporated“ lässt Springsteen ein anrührende „The River“-Fassung folgen, bevor „American Skin (41 Shots)“ einem wieder eindringlich an die immer wieder aktuelle amerikanische Waffengewalt mahnt. Mit „The Promised Land“ biegen Springsteen, Bassist Garry Tallent, Drummer Max Weinberg, die Gitarristen Steven Van Zandt und Nils Lofgren, Pianist Roy Bittan, Saxophonist Jake Clemons, Keyboarder Charles Giordano und Geigerin und Gitarristin Soozie Tyrell auf die Zielgerade. Die große Party geht mit „Working On The Highway“, „Darlington County“ und „Waitin‘ On A Sunny Day“ (selbstverständlich darf hier ein kleines Mädchen unter dem tosenden Applaus des Publikums auf die Bühne und den Text trällern) weiter, wird kurz von einem sexy „I’m On Fire“ unterbrochen, erfährt einen enthusiastischen Höhepunkt mit „Because The Night“ (immer noch übertrifft sich Nis Lofgren beim Gitarren-Solo selbst, aber auch er wird älter und verzichtet auf drei, vier Drehungen) und endet mit der Power von „The Rising“, einem abgeklärten „Thunder Road“ und dem elegischen und natürlich auch pathetischen „Land Of Hope And Dreams“.

Bruce Springsteen und die E Street Band verlassen erst gar nicht die Bühne und machen nach einem stürmischen Fan-Applaus sofort mit „Born In The U.S.A.“ weiter (immer noch ein wahnsinnig wichtiger Amerika-kritischer Song, von so vielen aber leider immer noch missverstanden), feiern „Born To Run“ stilecht ab, suhlen sich in „Seven Nights To Rock“, euphorisieren mit „Dancing In The Dark“, gedenken den toten Bandmitgliedern Clarence Clemons und Danny Federici in „Tenth Avenue Freeze-Out“und knallen den Fans ein circa 10-minütiges, orgiastisches „Shout“ (genau, der alte mit Lulu berühmt gewordene Pop-Klassiker von The Isley Brothers) um die Ohren, dass sie Tanzbeine nur so fliegen. Mit einer Akustik-Version von „For You“ beschließt Bruce Springsteen ein weiteres denkwürdiges Konzert. 31 Songs in drei Stunden und zwanzig Minuten. München hat vorgelegt, Berlin muss sich morgen strecken.

Kommentare

  • <cite class="fn">Claudia</cite>

    Hatten leider die selbe Erfahrung gemacht wie Volker.
    Stehplatze im Südbereich – haben teilweise erst nach einiger Zeit die Lieder erkennen (erhören können). Soundtechnisch eine Katastrophe. Stimmungsmäßig super

  • <cite class="fn">Christoph Posautz</cite>

    Das Konzert hätte besser geplant werden müssen.voele Leute haben es wahrscheinlich nicht mitbekommen aber wenn man 2 Stunden nach Konzertbeginn auf die Toilette wollte konnte man nicht mehr zurück in Stadium weil zu viele Tickets verkauft wurden und deshalb zu viele Leute am Konzert teilnahmen. Also wurden oben die Leute nicht mehr reingelassen. Die Polizei unterstützte die Securities. Es kam zu Handgreiflichkeiten, Fans wurden von Polizisten raus eskortiert. Der Spaßvom ganzen Konzert vorüber, hab mindestens 1 Stunde draußen auf meine Freunde gewartet. Alles in allem eine Frechheit seitens des Veranstalters. Hab diesem Veranstalter auch schon eine Nachricht gesendet aber sowas wird ja ignoriert. Für 70-250 Euro Ticket sollte ich eigentlich schon wieder auf das Konzert dürfen oder nicht?

  • <cite class="fn">Volker</cite>

    Sorry, ich weiß leider nicht, von welchem Konzert hier die Rede ist.
    Ich war in München, auf einem der sauteuren Plätze (Rang B2) und habe das schlechteste Konzert aller Zeiten erleben dürfen (ich mach das ja erst seit 37 Jahren). Nix gegen Springsteen &Co: Die Show, die Musik und der Anspruch waren vielleicht groß. Nur leider war die PA sowas von ungeeignet, jede drittklassige Kombo beim Dorffest bietet da besseres auf. Permanent übersteuert, weil wohl grundsätzlich zu mickrig, kam lediglich ein Lärmbrei bei uns an (Das einzige, was klar und deutlich zu verstehen war, war das one, two, three, four…). Das war akustische Körperverletzung! Schade um die Zeit und das viele, viele Geld (wir sind extra aus Kiel angereist…).
    Ich wüßte nur gerne, wer für das Desaster verantwortlich ist: Springsteen (hat sich als Künstler um seine Performance zu kümmern)? Oder ist es der Konzertveranstalter (würde ich als Künstler auch hinterfragen…)? Oder das Olympiastadion (ungeeignet, es hat bereits ähnliche Beschwerden in der Vergangenheit gegeben)?
    Eine eindeutige Zuordnung würde mir helfen, denn wenn der/die/das Verantwortliche gefunden wird, kann ich das in Zukunft vermeiden.
    Sowas: Nie wieder.

    • <cite class="fn">Gérard Otremba</cite>

      Ich weiß natürlich nicht, wer für die die scheinbar schlechte Soundqualität auf den Rangplätzen verantwortlich zeichnet, im Innenraum war es definitiv ein anderes Erlebnis, der Sound wie üblich bei solchen Stadien-Open-Airs, die ein oder andere Rückkopplung gab es, sonst alles im grünen Bereich.

  • <cite class="fn">Achimdefons</cite>

    Sehr gut und passend wiedergegeben

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