Bruce Springsteens ultimative Rock’n’Roll-Show in Leipzig und Mönchengladbach
von Gérard Otremba
Er wird von seinen Fans geliebt wie kein zweiter Musiker. Bruce Springsteen ist ein einzigartiges Phänomen und er macht alles für die Zuneigung seiner Anhänger, ohne seine Integrität zu verlieren. Er läßt wie in Leipzig kleine Kinder sowohl den Refrain singen („Waiting On A Sunny Day“), als auch Gitarre schrammeln („Dancing In The Dark“). Er klatscht selbstverständlich alle vorderen Reihen ab, gibt Autogramme während seines Gesangparts und tanzt plötzlich mit einer Rot-Kreuz-Helferin („Spirit In The Night“). Er läßt die zahlreich angereisten Springsteenianer mindestens ganze Strophen performen („Hungry Heart“) und liebt den Ausdruckstanz einer einzelnen Besucherin auf der Gegentribüne („Open All Night“). Das alles macht ihn ungeheuer sympathisch und zum Held des Volkes. Springsteens Konzerte dauern immer noch drei Stunden und manchmal auch etwas länger wie in Hannover.
Es sind aber nicht einfach nur Rockkonzerte, es sind heilige Messen, die tatsächlich den Geist des Rock’n’Roll atmen. Songs seines letzten Albums „Wrecking Ball“ mischt der 63-Jährige gekonnt mit Karrierehighlights („Bandlands“, „Born Ton Run“, „Hungry Heart“, „Bobby Jean“, „Dancing In The Dark“), selten gespielter Stücke (Opener „Roulette“, „Back In Your Arms“, „Light Of Day“) und zwei Coverversionen („You Never Can Tell“, „Rockin` All Over The World“). ein Song wie die erste Zugabe „Born In The U.S.A.“ kommt im Ostteil dieses Landes, wo Springsteen seit seines legendären Auftritts 1988 in Ost-Berlin nicht mehr live zu sehen war, ganz besonders gut an. Der Heilsbringer des Rock’n’Roll entfacht eine grenzenlose Euphorie und bringt eine bereits tobende Menge schier zur Explosion. Die E-Street Band, samt Hornsection und Soulsängerinnen, demonstriert wie auch schon im letzten Jahr in Frankfurt, Köln und Berlin die Erlösungskraft des Rock’n’Roll. Purer Wahnsinn. Und so irre hemmungslos manchmal Springsteen und seine kongenialen E-Streeter auch sind, der berührendste Moment eines wieder mal atemberaubenden Konzertes gelingt Bruce Springsteen ganz zum Schluss mit der letzten Zugabe, einer Akustik-Version von „Thunder Road“, die einem Tränen in die Augen treibt und die ganze romantische Sehnsucht des Rock’n’Roll in fünf Minuten zum ultimativen Ausdruck bringt. Ergreifend.
Zwei Tage zuvor inMönchengladbach zeigt sich Springsteen samt E-Street Band in absoluter Party- und Wunschkonzertlaune. Vom Opener „Jackson Cage“ bis zum abschließenden „Thunder Road“ gerät das dreistündige Konzert zu einer einzigen Feier. Gerne kokettiert Springsteen mit der Unkenntnis des Setlist-Ablaufs und holt sich immer wieder die Sign-Request-Schilder aus dem Publikum. Songs wie das Cover „Shake, Rattle And Roll“ oder die Tour-Premiere „One Way Street“ stellen den „Boss“ und Little Steven zunächst vor eine Tonartproblematik, doch dann geht die Party mit „Marys Place“ auch sofort weiter. Lediglich für die bewegende Ballade „Point Black“ wird das Tempo runtergefahren. Es zeugt von Springsteens Klasse, „Hungry Heart“ nach „The Promised Land“ zu stellen und „Because The Night“ hinter „Man’s Job“. Aber auch „versteckte“ Tracks wie „Candy’s Room“, She’s The One“ und „Leap Of Faith“ sind zur Freude der Anhänger im Programm. Sogar der alte Fanfavorit „Rosalita“ wird gebührend abgefeiert und nach dem bekannten Zugabenblock („Rocky Ground“, „Born In The U.S.A.“, „Born To Run“, „Dancing In The Dark“, „Tenth Avenue Freeze-Out“) hauen Bruce und die E-Street band uns noch den alten von John Fogerty geschriebenen und durch Status Quo Berühmtheit erlangten Gassenhauer „Rockin‘ All Over The World“ um die Ohren. It’s Bruce-Time und man kann nicht genug davon bekommen.