Brad Mehldau: Your Mother Should Know – Brad Mehldau Plays The Beatles

Brad Mehldau by Elena Olivo

Der brillante Jazz-Pianist Brad Mehldau widmet sich mal wieder den ebenso brillanten Popsongs der Beatles – durchaus überzeugend, aber auch etwas zu gediegen

Es war schon lange überfällig, dass der fabelhafte Pianist Brad Mehldau mal wieder seiner altbewährten Leidenschaft für Popsongs frönt. Zuletzt hatte er auf den Trio-Alben „Blues And Ballads“ (2016) und „Seymour Reads The Constitution“ (2018) aus Material der Beatles und von Paul McCartney zum Niederknien schöne Jazz-Diamanten geschliffen. Nun widmet der US-Amerikaner mit „Your Mother Should Know“ ein ganzes Live-Soloalbum der Liebe zu den Fab Four aus Liverpool (und, quasi als Zugabe, zum schmerzlich vermissten David Bowie).

Selbst Puristen mögen Mehldaus Jazz-Pop-Crossover

Brad Mehldau Plays The Beatles You Mother Should Know Cover Nonesuch Warner Music

Neben den Beatles hatte der auch in Klassik und Avantgarde sattelfeste Mehldau zeitweise Folk-, Pop- und Rocksongs von Nick Drake, Radiohead, The Beach Boys, Alice In Chains oder Jimi Hendrix in den Piano-Jazz überführt. Gerade live begeisterten diese Exkursionen ins populäre Fach selbst puristischere Jazz-Fans (zumindest die allermeisten). Mit teilweise sehr ambitionierten, aber auch sperrigen Platten wie „Mehliana – Taming The Dragon“ (2014), „Finding Gabriel“ (2019) oder „Jacob’s Ladder“ (2022) räumte Mehldau zwar ebenfalls bei der Kritik und kommerziell (für Jazz-Verhältnisse) ordentlich ab – der Wunsch vieler seiner Verehrer nach neuen Crossover-Meisterleistungen verstummte jedoch nicht.

Behutsame Variationen von Brad Mehldau

Nun „liefert“ Mehldau, und er tut dies stilvoll, wenn auch gelegentlich fast schon zu respektvoll. Manchmal klingt es (so herrlich diese Harmonien und sein Klavierspiel natürlich sind), als träte hier ein sehr guter Barjazz-Pianist mit Beatles-Faible in einer Hotellobby auf. Zum Glück geht der 52-jährige Grammy-Gewinner noch genug Risiko ein, um die Gassenhauer der vier Pilzköpfe auszusparen – also kein „Yesterday“ oder „All You Need Is Love“ in Jazz-Versionen. Aber die zehn Songs aus den großen Beatles-Alben seit „Revolver“ (etwa „For No One“, „Here, There And Everywhere“ oder „Golden Slumbers“) sind offenbar so unantastbar hochmelodisch, dass Mehldau sie nur sehr behutsam variiert, sie im Gegensatz zu früheren Pop-Aneignungen kaum gegen den Strich bürstet.

Brad Mehldau geht etwas zu sehr auf „Nummer sicher“

Um nicht missverstanden zu werden: „Your Mother Should Know“ ist ein interpretatorisch und klangtechnisch wieder mal erstklassiges Mehldau-Album – es geht nur ein bisschen zu sehr auf „Nummer sicher“. „And I Love Her“ vom „Blues And Ballads“-Trio-Meisterwerk mit Larry Grenadier (Bass) und Jeff Ballard (Schlagzeug) wagte sich deutlich weiter in die Improvisation vor. Die Songauswahl begnügt sich diesmal damit, keine früheren Beatles-Cover des Meisters zu wiederholen. Die im September 2020 in der Pariser Philharmonie eingespielte Live-Platte endet mit einer Zäsur – aber auch Bowies „Life On Mars?“ geht, bei aller Inbrunst dieses fantastischen Pianisten, kaum über eine Demonstration von Wohlklang hinaus.

Die Beatles-Musik als Teil von Mehldaus Persönlichkeit

Gleichwohl ist und bleibt es eine willkommene Mission, die Brad Mehldau immer wieder für die Verknüpfung von Jazz und Pop auf sich nimmt. Denn: „Die Songs der Beatles sind von unbestreitbarer Universalität geprägt“, sagt er zu seinem neuen Album. „Ihre Musik durchschneidet kulturelle und generationelle Grenzen, während neue Zuhörer sie immer wieder für sich entdecken. Ihre Songs haben eine Unmittelbarkeit und Integrität, die jeden anzieht. Diese Musik wurde Teil meiner Persönlichkeit.“ In diesem Zusammenhang für Mehldau-Fans sicher auch interessant: Am 15. März 2023 wird Equinox Publishing seine Memoiren „Formation: Building a Personal Canon, Part I“ veröffentlichen – das Buch soll einen Einblick in die Gedankenwelt dieses genialen Künstlers vermitteln.

„Your Mother Should Know: Brad Mehldau Plays The Beatles“ von Brad Mehldau erscheint am 10.02.2023 bei Nonesuch/Warner Music. (Beitragsbild von Elena Olivo)

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