Am besten authentisch: Blush Always aus Leipzig unterstreichen bei ihrem Tournee-Abschlusskonzert in Berlin eindrucksvoll, warum sie in Sachen Female-fronted Indierock derzeit in Deutschland das Maß aller Dinge sind.
Text und Fotos von Carsten Wohlfeld
Ehrlich, unverstellt, echt: Blush Always haben mit ihren binnen Jahresfrist veröffentlichten Alben „You Deserve Romance“ und „An Ode To ?“ die Herzen all der Indierocker und Indierockettes erobert, die nach mehr suchen als nur dem flavor of the month. Mit großer Leidenschaft trägt Mastermind Katja Seiffert in ihren Liedern den Sound des 90er-Jahre-Alternative-Rock ins Hier und Jetzt und besticht dabei nicht nur mit unwiderstehlichen Melodien und großer Dringlichkeit, sondern klingt anders als viele ihrer Peers auch wie eine Künstlerin, deren Liebe zur Musik größer ist als der Wunsch, berühmt zu werden.
Gemeinsam mit ihren Mitstreitern Dave Rossel an der Gitarre, Christian Lincke am Bass und Dennis Behrendt am Schlagzeug unterstreicht sie bei ihrem fabelhaften Auftritt am 08.02.2025 in der Neuen Zukunft am Berliner Ostkreuz, dass auch in unseren modernen Zeiten mit allgegenwärtigem „Höher, schneller, weiter“-Denken die beste Musik immer dann entsteht, wenn das Herz und nicht der Karriereplan die Richtung vorgibt.
Lily Rieke Marty spontan als Support
Los geht es anders als geplant: Eigentlich hätte im Vorprogramm die Hamburger Band Wohinn auftreten sollen, die Blush Always schon die ganze Woche begleitet hatte, doch weil das Quartett krankheitsbedingt absagen muss, springt kurzfristig Lily Rieke Marty ein – und das ist ein echter Gewinn. Begonnen hat die junge Britin ihre Karriere in den altehrwürdigen Folk-Zirkeln ihrer Heimat Cambridge, bevor ihr Studium sie nach Berlin verschlug, wo ihr nun klanglich eher Künstlerinnen wie Soccer Mommy, Beabadoobee oder Snail Mail als Inspiration dienen. Als Support für Blush Always ist sie mit diesen Referenzen natürlich goldrichtig.
In der Neuen Zukunft steht sie solo auf der Bühne, trotzdem ist ihr knapp 30-minütiges Set erfreulich facettenreich, wenn sie in ihren oft traurigen Liedern den Bogen von betont Persönlichem („Honey I‘m Fucked“) zu fantasievollem Storytelling („I Know What I Know Now“) schlägt und mit „Venus Is Calling“ auch einen Ausblick auf ihre am Valentinstag erscheinende neue Single gibt. Am Ende tauscht sie nicht nur die Akustik- gegen eine Stromgitarre ein, sie zollt auch noch ihrem größten Idol Patti Smith Tribut, und ganz ehrlich: mit fast schon punkiger Energie und echter Verzweiflung in der Stimme hat „Dancing Barefoot“ selten so intensiv geklungen wie in ihrer Version.
Blush Always: Tourfinale mit Emotionen und Wucht
Intensiv ist auch das Stichwort für Blush Always. Mit „My Mum’s Birthday“ stürzt sich die Band gleich kopfüber in ein mit großen Emotionen und elektrisierender Energie vollgestopftes Set aus Instant Classics, bei dem in den nächsten 70 Minuten nur wenig Zeit zum Luftholen bleibt. Mit unbändiger Live-Power und ansteckender Freude am eigenen Tun zeigen Katja Seiffert und die Ihren an diesem Abend mit beeindruckender Leichtigkeit, wie hinreißend es klingt, wenn man die Musikhistorie mit Gewinn studiert hat, sich aber nicht zu sehr an die Ideen seiner Idole klammert. Denn auch wenn es immer wieder Songs gibt, in denen der Geist von Pavement oder Smashing Pumpkins nachhallt, hat Katja inzwischen in Sachen Songwriting und speziell bei der Melodieführung eine ganz eigene Handschrift entwickelt, die ihre Lieder sofort als Blush-Always-Nummern erkennen lässt.
Der Weg von schroffer Grunge-Wucht („Coming Of Age“, „Your Call“) zu euphorischen Alternative-Pop („Fond Of You“, „Just Keep Swimming“) ist dabei nie weit. Auch für einen Special Guest ist Platz. Bei „You Are My Favorite Place To Stay“ steht Pabst-Schlagzeuger Tore Knipping mit auf der Bühne und darf sich als Gitarrist beweisen, nachdem Seiffert auf ihrer aktuellen LP aus einer unveröffentlichten Pabst-Demo-Aufnahmen eines ihrer herzergreifendsten Lieder gemacht hat. Das elegische „Dance Into My Head“ sorgt derweil zur Mitte des Auftritts für klangliche Kontraste und unterstreicht die Wandelbarkeit von Blush Always, bevor es bei der Zugabe bei „Postpone“, „Default“ und der fiesen kleinen Punknummer „Autoimmunity“ ganz zum Schluss der Show (und der Tour) ausgelassen wüst wird.
Eine Band als Geschenk
Obwohl sich Katja Siffert ein wenig unter einem Hut Marke Jamiroquai versteckt, der ihr oft ein bisschen zu tief ins Gesicht rutscht: Von der lähmender Bühnenangst, die einst den Namen ihrer Band inspirierte, ist in Berlin nichts zu spüren. Im Gegenteil: Das gleiche Selbstbewusstsein, das sie inzwischen inhaltlich von Selbstfindung zu Selbstreflektion und klanglich zu mehr Klarheit geführt hat, strahlt sie inzwischen auch auf der Bühne und ganz besonders auch bei ihren unumwundenen Ansagen aus, mit denen sie unterstreicht, dass sie lieber ihren eigenen Weg geht, als sich von der Musikindustrie vereinnahmen zu lassen.
Vor dem wunderbar sphärischen „Girl In A Band“ erzählt sie, wie viel Überwindung es sie gekostet hat, sich überhaupt erst einmal zu trauen, ihre Lieder zu teilen und sich auf eine Bühne zu stellen, und wie glücklich sie ist, dass ihr größter Wunsch, eben jenes girl in a band zu sein, mit der Veröffentlichung ihrer Platten und den Konzerten mit ihrer Band nun in Erfüllung gegangen ist. Man könnte auch sagen: Blush Always sind ein Geschenk. Für Katja – und erst recht für ihr Publikum!













