Blanco White: On The Other Side

Blanco White On The Other Side Cover Yucatan Records

Blanco White sucht die Transzendenz

Nach Hinds und Melenas noch eine verschobene Platte sowie Tour, darüber hinaus eine weitere mit deutlichem Spanien-Bezug. Wobei Corona dieses eine Mal unschuldig ist – Blanco White (eigentlich Josh Edwards) musste nochmal nachjustieren und wollte ohne sein, jetzt endlich am 5.6. erscheinendes Debütalbum „On The Other Side“ (nach drei erfolgreichen EPs), nicht die Clubs in diesem Frühjahr bespaßen. Wobei das mit dem Spaß so eine Sache geworden wäre. Der symphonische Folk des Singer-Songwriters aus London, dessen musikalische Unverwechselbarkeit sich zum Teil aus dem andalusischen Gitarrenspiel speist, das er in Cádiz studierte, lädt eher zum Schwelgen und Verweilen ein, statt zum exzessiven Abfeiern – seine Auftritte scheinen auch bestuhlt mit Abstandsregeln denkbar.

Psychedelische Ausreißer

Blanco White On The Other Side Cover Yucatan Records

Darüber hinaus spielt White Charango, eine kleine Gitarre aus den Anden – auch dessen Technik hat White vor Ort (Bolivien) studiert. Sanft spielt er diese Instrumente, immer dem Song und dessen Stimmung untergeordnet – kein Grund besteht für ihn, plakativ Virtuosität zu demonstrieren. Die bereits im März veröffentlichte Single „Samara“ addiert Inspirationen aus dem musikalischen Somalia der 70er- und 80er-Jahre – einer Ära, der White sich laut eines Tweets von ihm „obsessiv“ im letzten Jahr gewidmet hat. Wer da nicht genau auf die Instrumentierung achtet und sich nur vom Gesamtsound einlullen lässt (was völlig legitim ist), mag solche Einflüsse überhören und damit psychedelische Ausreißer verpassen; vielleicht sogar das Ganze als plätschernde Nichtigkeit missverstehen. Wobei es dabei immer noch eine wunderschöne, plätschernde Nichtigkeit wäre.

Blanco White und das Gute, Wahre und Schöne

Der seit frühester Jugend von der Kultur Lateinamerikas faszinierte White hat eine unkitschige Schmeichelstimme, mit der er den größten lyrischen Unsinn verkaufen könnte; dazu Arrangements und Klangfarben, die einem vertraut erscheinen, obwohl man sie auf diese Art noch von keinem anderen gehört hat. Whites Suche nach Transzendenz ist in jedem Ton spürbar und erklärt höchstwahrscheinlich auch die Wahl seines Künstlernamens (José Maria Blanco White war ein spanisch-irischer Autor, Dichter sowie Theologe). Das Gute, das Wahre, das Schöne – Menschen und Musiker wie Blanco White erinnern uns daran, dass es das durchaus geben kann und es gut tut, so etwas in Form zum Beispiel dieser wunderbaren Musik zu genießen. Dass dies aus einer mehr als privilegierten Sichtweise geschieht und die aktuelle politische Lage nach einem anderen Soundtrack schreit, steht dabei auf einem anderen Blatt. Wer also die künstlerische Aufarbeitung anderer Lebensrealitäten zum Kontrast hören will:  Am Freitag erscheint auch die Neue von Haftbefehl.

„On The Other Side“ von Blanco White erscheint am 05.06.2020 bei Yucatan Records. (Beitragsbild: Albumcover)

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