Black Midi: Cavalcade – Albumreview

Jahresbestenlistenfutter liefern Black Midi mit ihrem neues Album „Cavalcade“ ab

„Die vielleicht spannendste neue britische Rockhoffnung“ orakelt die Plattenfirma in ihrer Produktbeschreibung. Leicht könnte man dies als das übliche Promogefasel abtun: wenn es denn nicht stimmen würde. Berliner Zeitung, Die Zeit, Der Spiegel sowie der Musik Express stimmen in die Lobpreisungen ein. Schon beim Debüt „Schlagenheim“ 2019 stand die Fachwelt Kopf – Zeugen ihrer Livedarbietungen nicht minder. Dabei bzw. deswegen sind Black Midi jedoch keine leichte Kost. Avantgarde-Rock könnte man das nennen, und wie immer in solchen Sphären ist die Grenze zum avantgardistischen Jazz verschwommen bzw. kaum existent. Wer braucht Grenzen, fragten schon Davis, Zappa, Brötzmann, Zorn und Konsorten und beschenkten uns folgerichtig mit breiteren Horizonten als zuvor.

Black Midi auf schwindelerregendem Niveau

Black Midi Cavalcade Cover Rough Trade

Referenzen taugen diesbezüglich nur bedingt  – an Frank Zappa musste nicht nur ich denken. King Crimson wurde von Kollegen in den Assoziations-Ring geworfen (überhaupt viel Prog-Rock), Swans, P.I.L. Der Vortrag von Black Midi-Bassist wie Stimme Cameron Picton ließ mich beim Opener „John L“ an den Agit-Hip Hop von Consolidated denken. Sonst singt meist Gitarrist Geordie Greep, der bei seinem Spiel Ähnlichkeiten zu dem Joe Baizas von u.a. Universal Congress Of offenbart. Jeder macht hier irgendwie fast alles und das auch noch auf schwindelerregendem Niveau. „Cavalcade“ präsentiert sich für offene Ohren etwas eingängiger als der Vorgänger, bietet es doch plüschigere Verschnaufpausen wie das loungige „Slow“ oder die Hommage an „Marlene Dietrich“. Trotz allem: Black Midi sind eine Rockband, der Gitarrensound wurde im Vergleich zum Vorgänger jedoch ein wenig heruntergefahren zugunsten einiger Saxophon- sowie zarter Trompeten-Einsätze  – die gesundheitsbedingte Absenz des zweiten Gitarristen Matt Kwasniewski-Kelvin wird da eine Rolle gespielt haben.

„Cavalcade“ lässt einen fassungslos und beeindruckt zurück

Hat man erste Irritationen erst mal überwunden, fasziniert „Cavalcade“ immer mehr und erweist sich als eine Zusammenstellung voller soundtechnischer Gewinner. „Dethroned“ mit seiner leicht vertrackten No Wave-Rhythmik z.B., die sich später zu hysterischem instrumentalem Ausdruckstanz steigert; „Hogwash And Balderash“ mit seinen Schnappatmung verursachenden Rhythmuswechseln, gefolgt vom croonigen Drama beim letzten Stück „Ascending Force“: „Cavalcade“ lässt einen fassungslos und beeindruckt zurück, innerlich „Da Capo“ schreiend. „Die vielleicht spannendste neue britische Rockhoffnung“ orakelt die Plattenfirma – sie tat das ebenso bei Black Country, New Road und auch da war es nicht falsch. Vielleicht haben sich deswegen beide so lieb und formieren gelegentlich auch als Black Midi, New Road zusammen. Um die Zukunft der Rockmusik muss einem jedenfalls nicht bange werden, hier haben wir dafür einen Beweis. Jahresbestenlistenfutter.

„Cavalcade“ von Black Midi“ erscheint am 28.05.2021. bei Rough Trade Records / Beggars Group. (Bietragsbild: Yis Kid)

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